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Kurt Aebli:
«Tropfen»

 

«Mit so wenig Sprache / bin ich nie nach Hause / gekommen», so lauten einige Zeilen aus dem neuen Gedichtband «Tropfen» des Dichters Kurt Aebli. In der Tat, wo das Schweigen gefasst, ganze Landstriche überhaupt erschlossen und in die Sichtbarkeit des Worts gehoben werden sollen, bedarf es einer strengen, lyrischen Ökonomie. Der Flut an Dingen muss mit Kargheit begegnet werden: So schlagen diese Gedichte einen ganz anderen Ton an, als man es von Aebli sonst gewohnt ist. Der Dichter dieses Bandes ist kein begnadeter Sprengmeister mehr, der die Welt im sprachlichen Knall, im surrealistischen Kalauer hochgehen lässt. Vielmehr ist er mit «dem Auftrag losgesandt, / das beiläufig Registrierte / flüchtig zu fixieren», und das meint, wie ein General des Flüchtigen hinter die Front des Konsums und seines Sturms (oder Knalls!) das Andere rettend einzufangen. Und den Betrieb zu protokollieren: «Wie um es zu bezeugen, einmal irgendwo, / prägt sich jede flüchtige Geste mir genau ein: wie sie ab / fallen, sich losreissen, gedankenlos überlaufen zu einer / Macht, deren Verteidigungs- und Angriffsreihen … geschlossen dastehen und vorrücken. / Kein Weg mehr, / der zu einem Garten führt.»

Kein Weg mehr, der zu einem Garten führt. Das ist die Dia-gnose. Und so arbeiten sich diese Gedichte hinter der Front der Zerstörung ab, werden zu «Gefässen für das Grundlose». Der Dichter ist dabei die «Amsel, / die Misstöne / sät». Er entziffert hinter der Hektik nur das Eiapopeia des Fortschritts, das «Gebrüll / der plötzlich / gefährlich nahen / Autobahn». Finis
terrae! Das ist die Stimmung dieses so einzigartigen wie neue Wege beschreitenden Gedichtbands. Hier dichtet einer nicht mehr die antiquierten Loblieder auf den Menschen, sondern klagt sich stellvertretend für seine Gattung an: «Scham darüber: dass ich bin.» Ja, auch diese Gedichte sind solche an die Nachgeborenen, aber sie brechen mit der gewohnten Perspektive!
So heisst es: «Die Uhr zeigt, / welche Menschenleere / nötig wäre.» Konsequenterweise liegt das Verbrechen nicht wie bei Brecht darin, dass der Mensch im Gespräch über Bäume ein Schweigen über so viele Untaten einschliesst, sondern radikaler darin, dass der Mensch «nicht / das Schweigen der Bäume / hört». Kurt Aeblis «Tropfen» sind wundersame und wunderbare Gedichte, die oft erst auf den zweiten Blick ihre Augen aufschlagen, dann aber sprechen sie – und das in einem beglückenden Ton. Lassen wir also diesen eminenten Dichter selber über seine Gedichte sprechen: «Von meinem Schatten hinter meinem / Rücken geschriebene / Gedichte. / Der Sonne gewidmet, / die sich nichts / aus Gedichten macht.»

Kurt Aebli: Tropfen. Wien: Edition Korrespondenzen, 2014.

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