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Gerold Späth: «Alyeska. Acht Geschichten»

Gerold Späth: «Alyeska.
Acht Geschichten»

Lakonie und Präzision: Acht Geschichten zum 80. Geburtstag

 

Dass der Rapperswiler Gerold Späth seit Jahrzehnten einer der Grossen der deutschsprachigen Literatur ist, hat sich noch nicht überall herumgesprochen. An den acht Geschichten, die nun aus Anlass seines achtzigsten Geburtstags erschienen sind, lässt sich dieses Urteil bestens überprüfen. Weshalb gerade diese Geschichten ausgewählt wurden, wird nicht erläutert – zwei waren bisher unveröffentlicht, vier sind zwischen 1985 und 2009 an entlegenen Orten erschienen, eine stammt aus dem frühen Band «Zwölf Geschichten» (1973) und eine aus «Sacramento» (1983). Was man an allen acht Texten beobachten kann – und das erklärt vielleicht die Auswahl –, ist genau das, was den Kern der literarischen Meisterschaft dieses Schriftstellers ausmacht: eine sprachliche Virtuosität, die ihresgleichen sucht. Die Schulgrammatik mitsamt ihren Regeln zur Interpunktion wird souverän ignoriert, wodurch Späths Schreiben eine betörende dichterische Freiheit gewinnt, ohne an Lesbarkeit zu verlieren. Fach- und Berufssprachen werden integriert, Helvetismen sowieso. Von vornherein ist dieses Erzählen ein multiperspektivisches, mit oft überraschenden Wendungen und verblüffenden Pointen, und fast immer geht es um alles, auf jeden Fall um Leben und Tod. Späths sprachverliebte Texturen sind weder harmlose Schnurren noch poetisch verbrämte Kommentare zum Zeitgeschehen. Sie sind Literatur pur – in einem durchaus emphatischen Sinne.

Neu ist die dem Buch seinen Titel gebende Geschichte «Alyeska», die «mein alter Schulfreund Schang – (Jean) – … hinten in der Barbarswiler Bucht» erzählt. Sie handelt vom Leben des aus dem Baselbiet stammenden Fischers Léon Felchling, der vor Jahren nach Alaska ausgewandert war, mit Lachs und Heilbutt reich wurde, die Wintermonate oft in Mexiko verbrachte und nun seiner Familie die schöne Schweiz zeigen möchte. Eine Geschichte vom Fischen und vom Fischbusiness? Auch, aber Späth wäre nicht Späth, wenn sie nicht unvermutet eine höchst dramatische Wendung nähme. Auch in «Alyeska» geht es letztlich um Leben und Tod, genauso wie in der zweiten neuen Erzählung. «La pistola» ist eine fintenreiche und vertrackte, mit bizarrer, hart an die Ekelgrenze gehender Erotik aufgeladene, absurde und betörende Geschichte aus dem «Chiantigebiet», die den Autor auf dem Höhepunkt seiner Erzählkunst zeigt. Absolut sensationell. Allein «La pistola» rechtfertigt die Anschaffung dieses Geschichtenbandes, in dem man einen Autor kennenlernt, dessen Schaffenskraft im Alter nicht nachgelassen hat. Ganz im Gegenteil.


Gerold Späth: Alyeska. Acht Geschichten. Basel: Lenos, 2019.

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