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Daniel Mezger, zvg.

«Herr Mezger, recherchieren Sie eigentlich oder erfinden Sie bloss?»

Liest wohl noch irgendwer Johannes Mario Simmel? Man könne sich das Kursbuch sparen, wenn man genügend Simmel-Romane zu Hause habe, hatte es einst geheissen. Jede Zugverbindung akkurat recherchiert. Heute spart man sich die Kursbücher und den Simmel und heute ist Recherche keine Respekt abverlangende Leistung mehr, Recherche ist das, was der Daumen so tut, wenn der Restmensch auf dem Klo oder in der Bahn sitzt. Für einen Autor ist Recherchieren die willkommenste Form der Prokrastination. Man tut ja was, man arbeitet ja! Und schaut nicht bloss YouTube-Filme, die im vagen Zusammenhang mit dem Romanthema stehen. Man scrollt nicht einfach nur so durch Fotos fremder Städte, bloss weil seine Protagonisten dort gerade hingereist sind. Ich bin einmal über die gesamte Länge der Öresund-Brücke gefahren – mit Google Streetview. Weil ich dachte, für die Beschreibung ebenjener Fahrt könne es helfen. Man sah Meer und Autobahn. Genau wie ich es mir vorgestellt hatte. Meist sieht man sowieso bloss das, was man sich bereits denken konnte, denn meist sieht man das, was man sich nicht denken konnte, auch dann nicht, wenn es da ist.

Für zwei Theaterstücke, die lose von realen Menschen und Geschichten ausgingen (einmal Dave Gahan, einmal Edward Snowden), habe ich mich jeweils in tiefster Recherche versenkt (sprich: ich habe genüsslich jede Menge Zeit verplempert), habe manchen verbürgten Rohdiamanten gehoben, ihn aufs liebevollste geschliffen – und aus der Endversion des Textes wieder rausgeschmissen. Weil die gefundene Episode nicht glaubwürdig genug war. Oder weil man sich ihrer nur erfreuen konnte, wenn man selbst auf sie gestossen war. Denn korrekte Fakten erzählen erst mal gar nichts. Wenn korrekt wiedergegebene Ereignisse nicht auch ein klein wenig Metapher für etwas Allgemeingültigeres, Zeitloseres sind, kann man mit ihnen literarisch kaum was anfangen.

Aber nichts gegen korrekte Zugfahrpläne in Büchern. Stimmen die Fakten, dann weiss man als Leser zumindest: der Autor hatte beim Schreiben auch ein klein bisschen Spass.

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