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Nüchtern

Mal ohne Alkohol. Einfach so.

Nüchtern
Stefanie Sourlier, photographiert von Ayse Yavas.

«Wer nur Wasser trinkt, hat etwas zu verbergen.» – Charles Baudelaire

Ich bin nüchtern. Und das schon seit Monaten. Nein, nicht schwanger. Ja, sonst geht es mir gut. Das ist weder eine ideologische Entscheidung noch der Gesundheitswahn, nein, Moment, es ist noch nicht einmal eine Entscheidung. Hat sich so ergeben, könnte man sagen. Und wird auch wieder anders werden.

Es ist vielleicht etwas langweilig. Da ich aber sowieso nie ausgehe, merke ich das selten. Wenn ich doch mal ausgehe, merke ich spätestens nach dem dritten Kaffee oder dem zweiten alkoholfreien Bier, dass etwas fehlt. Ausserdem fällt mir auf, dass mir die Betrunkenen auf die Nerven gehen. Ihr Pegel, der sich in einer steilen Kurve nach oben bewegt, während meiner bei nicht einmal 0,05 Promille vor sich hindümpelt. Die Gespräche, die so interessant nun auch nicht sind (und nebenan: «Gömmer no is ‹Gonzo›?»), wiederholen sich, und mir fällt ein, was ich sonst noch alles machen könnte, also statt hier zu sitzen, meine ich. Ich erinnere mich noch an diesen Zauber. «If you’re looking for me, I’ll be at the bar», singt Sarabeth Tucek. Bei Morissey klang das noch pathetischer, aber auch nicht ohne Selbstironie: «I will be in the bar with my head on the bar.» Ja, die Mischung von Melancholie und Ironie wirkt wunderbar in Kombination mit Alkohol: «I love my misery, gonna drown my blues in a sea of whiskey.» Von Aretha Franklin oder Frank Sinatra bis zu Bonnie Prince Billy oder auch Big Zis sangen sie alle: «I’m drinking again.» Die schönste und absurdeste Songzeile über das Trinken stammt aber von den Silver Jews: «In twenty-seven years, I drunk fifty thousand beers, and they just wash against me, like the sea into a pier.»

«The Bar is a beautiful place.» Ein Zufluchtsort, an dem die Nacht sich um die verlorenen Gestalten legt wie eine alkoholgetränkte Decke. Der Tresen ist mehrere Meter lang und gekrümmt, glockenförmige Lampen hängen darüber und werfen einen Kreis gelben Lichts auf die Menschen. Die Gespräche wiederholen sich. Trotzdem ist da dieses Gefühl, dass gerade jetzt in dieser Minute etwas Wichtiges passiert.

Vielleicht nimmt man den Moment bloss genauer wahr, so dass er nicht auseinanderfällt, in Erinnerung und Überlegung, was danach sein könnte, vielleicht auch, weil man sich nicht von aussen sieht und sprechen hört und überlegt, was dieser und jener denken könnte, sondern dass er einfach da ist: der Moment. Und dann sitzen wir immer noch da, obwohl wir längst gehen wollten, die Stühle sind schon hochgestellt und hinter den Fenstern bereits der Morgen.

Am nächsten Tag ist es jeweils schwer zu sagen, was denn der Zauber genau war. Es war mal wieder nur der Alkohol. Vielleicht war es tatsächlich nur der Alkohol, nicht mehr und nicht weniger. Nüchtern betrachtet ist das ja auch nicht nichts.

Drink: LLB (Lime Lemon Bitter)  

Eigentlich mag ich keine alkoholfreien Cocktails, zu teuer, zu aufwendig und dann doch zu wenig Wirkung (einmal ganz abgesehen von den Namen wie Virgin Margarita oder Shirley Temple, die wohl eine weibliche Unschuld gegenüber den Männerdrinks beweisen sollen). Eine Alternative ist aber der LLB, einfach und gut und man merkt nicht einmal, dass kein Alkohol drin ist.

Einige Spritzer Angostura

2 cl frischer Limettensaft

Eiswürfel

auf Eis ins Glas (Tumbler) geben, mit Sprite/Citro auffüllen und mit einem Limettenschnitz garnieren.

Rezept: Bar 63, Zürich

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