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Matthias Zschokke:
«Lieber Niels»

 

Da hat sich Matthias Zschokke ja einiges herausgenommen. Auf den ersten Blick – und das stimmt eigentlich auch – liest sich «Lieber Niels» schnell, leicht, chronologisch geordnet, aber nicht thematisch sortiert. Nichts anderes war zu erwarten nach gut sieben Jahren Schriftverkehr mit Niels Höpfner, seines Zeichens ebenfalls Kommunikator. Auf den zweiten Blick bietet das Buch aber auch mehr, als erwartet werden durfte. Es ist der intime Rahmen, der einen Strom locker und schlüssig verknüpfter Gedanken erst möglich macht. Zschokke wehrt sich gegen das formale Korsett: «Der Roman», sagt er, «kommt aus einer anderen Welt, nicht aus der des Dichters oder der Dichtung.» Nichts ist ihm verhasster als Etikette. Ein in diesem Falle leichter Verzicht, der den Leser aus der Bevormundung entlässt, hinaus in eine Unmittelbarkeit, in der weder diktiert noch befolgt werden muss. Gleichzeitig aber ist die Welt dann doch nicht so flüchtig, wie man sie gerne hätte. Und so steckt Zschokke für einmal fest in der Rolle des Lehrers, der seinen Schülern Walser schmackhaft machen will – und verzweifelt feststellen muss, dass er ihnen eigentlich so gar nichts beibringen kann, zumindest nicht über das Schreibhandwerk. Neben Szenen dieser Art finden sich in der gesammelten Schreibe auch Inszenierungen Zschokkes – er in Jordanien, er in der niedlichen Schweiz, er in einer muffigen Freimaurerloge, er von Fellowship zu Fellowship tingelnd – und gar er als Tier, gehalten von dezent interessierten Kulturbeflissenen, die nicht so recht wissen, was sie von ihm halten sollen. Dazwischen immer wieder Niels, der gute Freund, eifriger Sammler, langjährige Reibefläche und letzte Instanz Zschokkes. Wenn die Welt in Ironie zusammenfällt, bleibt nur noch Niels; besonders an den Jahresenden, wenn alle Empörung und Freude kurz zur Ruhe kommt. Dieses Buch, keinesfalls also dieser «Roman», gefällt nicht nur als Lehrstück über eine vollendete Form der Freundschaft. Seine Grösse zeigt sich immer dann, wenn man über Zschokke stolpert. Genau dort also, wo dieser sich selbst und alle anderen ertappt.

Matthias Zschokke: Lieber Niels. Göttingen: Wallstein, 2011.

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