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Andreas Niedermann: «Blumberg»

Andreas Niedermann:
«Blumberg»

 

Wien im Hochsommer. Die Luft flimmert vor Hitze. Ein Zustand, den man irgendwie durchstand. Isa Blumberg, 53, Ausstellungsbetreuerin, hat schon viel zu viel durchgestanden: Das Gassigehen mit einem Hund, der nicht ihrer ist; langwei­lige Aufträge, fehlende Aufträge und dreiste Museumsbesucher mit interaktiven Gören. Hinzu kommt das Ende ihrer Beziehung mit Carla, die «kompliziert geworden, nach und nach an Fahrt verloren hatte, dann einfach ausgerollt und schliesslich zum Stehen gekommen war».

Als eine Taube das komplette IT-System einer Ausstellung lahmlegt, wird Isa endlich tätig. Sie erschiesst den Vogel kurzerhand, und als sie auch noch ihre Chefin ohrfeigt, ist sie ihren Job los. (Un)glücklicherweise wird sie aber von Skinhead Jerk aus ihrem Anti-Aggressions-Kurs, zu dem sie verdonnert wurde, gleich für einen neuen angeheuert: Die Ex-Punkerin und ehemalige Journalistin im Kosovokrieg soll dessen verschwundenen Bruder Ronny finden. Isa tappt im Dunkeln. Was hatte Benny Kracht mit dem Fall zu tun? Und welche Rolle spielte Penelope aus Somalia? Was passierte mit dem Toten im Fitnesscenter wirklich, warum hatte Robert Koch seine Recherchen abgebrochen, und wie steckte ihr Sohn, der Priester, in dem ganzen Schlamassel? Nach und nach zerbröselt Isas bisheriges Leben. Auf ihrer rastlosen Suche stösst sie, ganz ungewollt, auf eine alte Geschichte von ideologischer Verblendung, Dummheit und Schuld.

«Blumberg», der neue Roman des Basler Autors Andreas Niedermann, besticht durch unverfälschte, süffig-unprätentiöse, reduzierte und doch stilsichere Sprache, die die Querelen unserer Zeit authentisch und ohne pseudointellektuelles Geschwurbel skizziert. Böses, Ernstes wird ironisch gebrochen, auch wenn «Ironie die einzig verfügbare Schärfe der Feiglinge und nur wirksam ist, wenn sie als das erkannt wird, was sie ist». In «Blumberg» wird sie das in der Tat. Und feige ist der Bruce Springsteen des Kurzromans, wie ihn ein Rezensent einst nannte, mitnichten: Der Wahlwiener debütierte bereits 1987 mit dem Roman «Sauser», der ein Underground-Bestseller wurde. Es ist also höchste Zeit, dass ihn auch die Szene der sogenannten anspruchs­vollen Literatur wahr- und ernst nimmt – auch wenn der Roman als Krimi beworben wird. Ebenso gut liesse er sich als Gesellschafts- und Entwicklungsroman oder als rasantes Road­movie einordnen. Aber das will Niedermann eben nicht: eingeordnet werden.

Und am Ende überkommt den Leser unwill­kürlich die schwer erträgliche Wahrheit: «Es war die Jugend, die zählte. Die Jugend, die Jugend, die Jugend, und sonst zählte nichts. Nichts.» Blumberg ist ein Roadmovie, das mit der letzten Seite des Buches nicht endet, das immer weiter- und weitergeht, wie die Welt, die sich unaufhörlich dreht.

Andreas Niedermann: Blumberg. Wien: Songdog, 2018.

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