Editorial
Liebe Leserinnen und Leser
Nachdenken. Wer hat dieses antiquierte Wörtchen in den Titel dieser Ausgabe gesetzt? Sollte die Überschrift nicht möglichst viele Leser «ansprechen»? Ansprechen. Nach-denken. Da sind wir schon mittendrin. Denn: am Anfang allen Nachdenkens steht die Auseinandersetzung mit dem «Menschlichsten» überhaupt, der Sprache. Aber in welcher Sprache soll das eigentlich geschehen? Oder: in welchem Dialekt? Sie sehen, pardon, -lesen schon: in diesem Thema steckt viel mehr, als ein pointierter Titel sagen kann. Denn die «Sprache ist ein unvollkommenes Werkzeug», das wusste schon Antoine de Saint-Exupéry: «Die Probleme des Lebens sprengen alle Formulierungen.»
Unser Schwerpunkt in dieser Ausgabe widmet sich folglich dem Nachdenken über die Grenzen der Sprache(n). Dies in Kooperation mit der diesjährigen Ausgabe des «Babel»-Literatur- und Übersetzungsfestivals in Bellinzona. Egal, ob Sie – wie Jérôme Ferrari (S. 24) – versuchen wollen, das Ende der Sprache angesichts der Atombombe in Worte zu fassen, ob Sie den «Heiligen Geist» aus seinem Zeilengefängnis lassen wollen – wie –Michael Fehr (S. 14) – oder bloss versuchen, ein Buch von Guy Krneta (S. 10) zu lesen: Am Ende werden Sie aufs Wesentliche zurückgeworfen. Und stellen fest, dass jeder s-einen ganz eigenen Tunnel durch Gesagtes, Gehörtes und Geschriebenes gräbt. Ganz wie –Peter Weber (S. 18) und Matteo Terzaghi (S. 16 – und ab 1. August ausführlicher auf literarischermonat.ch), die 2000 Meter unter der Sprachgrenze, im Gotthard, für uns unterwegs waren. Die beiden hatten offensichtlich Lust an der Grenzerfahrung – und die wünsche ich Ihnen nun beim Lesen und Nachdenken!
Ihr
Michael Wiederstein
PS: Mit seinem Auftritt in der letzten Ausgabe verabschiedete sich unser langjähriger- -Kolumnist Michael Stauffer. Danke, Michael, für die Sprache gewordene Aufregung in den letzten zwei Jahren – keiner hat uns mehr zum Lachen gebracht als du! Und: herzlich willkommen, Urs Mannhart (S. 5): Wir freuen uns auf deine pointierten Schweizerreisen samt kulinarischen Entdeckungen am Wegesrand!