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Martina Momo Kunz, zvg.

Mehr Durchmischung, bitte!

Die Schreibschule und ich #2: Meine Klasse war ziemlich homogen zusammengesetzt, was soziale Herkunft und Ausbildungsniveau betraf.

Man kommt nicht umhin, für ein Publikum zu schreiben. Wenn du publizierst, ist dieses Publikum eine undefinierbare Menge, deren Reaktion du kaum mitkriegst. Du stellst den Text hin, behauptest damit eine künstlerische Position, fertig. Klar: Meistens rauft sich nachher trotzdem jemand die Haare, aber das kann dir egal sein.
Wenn du am Literaturinstitut studierst, publizierst du laufend für ein sehr konkretes Publikum: deine Klasse. Du kennst jeden, jeder kritisiert deinen Text. Manche Kritik hilft enorm, die eigene Stimme zu schärfen – dafür ist man hier –, andere lenkt eher ab. Das geht wohl den meisten so.

Meine Klasse war ziemlich homogen zusammengesetzt, was soziale Herkunft und Ausbildungsniveau betraf: Kaum jemand hatte keine Matura, viele schon studiert. Sehr wenige, deren Muttersprache weder Deutsch noch Französisch war, deren Deutsch bzw. Französisch aber genauso zu unserer Realität gehört wie ein gymnasiales. Und so etablierte sich auch ein eher homogener, intellektualisierter Diskurs – der in eine, meiner Meinung nach, sehr sublimierte Literatur mündete, eine Schreibe, die selten direkt, roh und unverstellt war und die sich nie kreuzfalsch herauszukommen traute (was doch wichtig wäre). Stattdessen viele Andeutungen, Finessen, Unausgesprochenes, so viel manchmal, dass man gar nicht mehr wusste, um was es eigentlich ging. Und manchmal, da kam es mir vor, als kämen wir alle aus einer kleinen heilen Welt, in der formvollendet kleine heile Sachen erzählt wurden. Abgründiges maximal zwischen den Zeilen.

Ich entwickelte in dieser Zeit eine grosse Unsicherheit gegenüber meiner Art zu denken, zu schreiben, zu fühlen. Und fing dann an, für meine Klasse zu schreiben, da ich mit meiner «kruden Art» nicht scheitern wollte. Auf die Meinung der anderen nichts zu geben – diese Abstraktionsleitung habe ich nicht geschafft. Dankbar bin ich trotzdem. Das Studium hat mich herausgefordert, meine Denke zu hinterfragen und – das Wichtigste – Sprache als eine Art Maske zu verstehen, durch die wir die Welt beschreiben.

Sprache ist ein Machtinstrument. Das sollte reflektiert werden. Wem gibt man die Chance, gehört zu werden?

 

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