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Urs Wehrli:
«Die Kunst, aufzuräumen.»

 

Ursus Wehrli, Linkshänder, Querdenker und gelernter Typograph, hatte vor Jahren mal eine lustige Idee. Diese Idee befruchtete schon zwei, nun ist ein dritter Photoband erschienen. Zuerst hat Wehrli Kunst aufgeräumt. Das hat sich gut verkauft. Dann hat er noch mehr Kunst aufgeräumt. Das hat sich besser verkauft. Und jetzt räumt er mit allem auf. Oder tut zumindest so.

Auf zwanzig Doppelseiten zeigt «Die Kunst, aufzuräumen», wie aus dem alltäglichen Durcheinander eine in sich logische, aber zweckentfremdende Ordnung geschaffen wird. Die Bilder von begradigten Salzbrezeln, alphabetisch geordneter Buchstabensuppe, säuberlich aufgereihten Tannennadeln, farblich sortierten Autos, Plastikbällen, Wäscheleinen und einer Badewiese samt Besuchern… sie sind zunächst hübsch anzuschauen. Und sie unterziehen nicht selten auch die Mundwinkel des Betrachters einer Neuordnung. Hat man das Prinzip aber nach ein paar Seiten verstanden – oder wiedererkannt –, ist jede weitere absehbar. Ein Photo immerhin bricht aus. Es zeigt ein Kind auf dem Rand eines Sandkastens sitzend. Sie ahnen es: seine Spielzeuge sind farblich und nach Grösse sortiert, die Sandburgen ordentlich platt gemacht. Aber: das Kind ist unzufrieden, es lässt den Kopf hängen. Nach drei Symphonien Ordnung darf diese Haltung als Wehrlis gebrochene Lanze für das befreiende Chaos, als eingängiger Akkord für die Notwendigkeit der Unordnung verstanden werden.

Als Weiterentwicklungsansatz also nicht schlecht, sollte Ursus Wehrli jedoch weiterhin seinem Ordnungstrieb treu bleiben wollen, so wünschte man, er würde sich in einem vierten Buch endlich einmal Dinge vornehmen, die durch sein Handanlegen mehr emotionales Potential entfalten als die ausgelehrt-aufgereiht-grössen-und-farbsortierte Schale Pommes frites mit Ketchup. Einen Grenzposten vielleicht, einen Reisepass oder ein Wahlplakat. Zugestanden: das ist subversiv-vergnügliche Zukunftsmusik. Würde Wehrli damit die Grenzen von Struktur und Chaos verwischen und neben den nach oben schnellenden Mundwinkeln auch andere Teile des Kopfes in Bewegung setzen – das wäre doch mehr als bloss ordentlich.

Ursus Wehrli: Die Kunst, aufzuräumen. Zürich: Kein & Aber, 2011.

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