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Die Methode

aus dem Französischen übersetzt von Claudia Steinitz

Die Methode
Catherine Safonoff, photographiert von Sebastien Agnetti.

«Danke» habe ich wie üblich beim Hinausgehen gesagt, und diesmal hat der Arzt es auch gesagt und gelächelt.

Ich habe alles erfunden. Der Arzt hält mich gar nicht für blöd und mein Äusseres ist ihm egal. Vielleicht schätzt er die alte Person sogar: Sie hat gelebt und etwas davon bewahrt.

Die Handlung geht ihrem Ende zu, meinem Auf Wiedersehen, das ein Adieu sein wird, dem Sie können mich anrufen von Doktor Ursus, das auch ein Adieu sein wird. Mit weichen Knien werde ich auf der Strasse stehen, werde langsam nach Hause gehen und die letzten Sätze dieses Buches schreiben. Das Ende ist immer schwer zu finden. Man darf den Leser nicht ins Leere stossen.

Ich werde es bedauern, ich bedaure schon jetzt, dass das Ganze aufhört, ich fühle mich wohl in meiner Rolle als Verstörte vor dem Schamanen und seiner Methode.

Die Patientin lebte allein. Eltern verstorben, letzter Lebensgefährte verstorben, gute Beziehungen zu den Kindern. Sie sagte, sie schreibe. Sie kam wegen eines Medikamentenproblems in die Klinik. Seit zehn Jahren nahm sie täglich in grossen Dosen eine toxische Substanz. Die ruhige Schweizer Kleinstadt hatte ihre Parade toter Seelen.

«Sie sind schwer depressiv», hatte er erklärt. Gleich als Einstieg ordentlich draufhauen, um einen Gegenschlag von gleicher oder grösserer Kraft zu provozieren. Doktor Ursus liest die Gedanken aus der Körperhaltung, dem Gesichtsausdruck, dem Klang der Stimme. «Sie haben zwölf Tage Zeit, um das Aurorix abzusetzen.» Sie hat mehrmals versucht, die Dosis zu reduzieren, vergeblich, sie hat Angst bekommen, wie erwartet. Die Angst verstärken: «Die Alternative sind Krankenhaus und Elektroschocks.» (Die Patientin ist überzeugt, das Wort Elektroschock gehört zu haben.)

Drei Sitzungen später macht man der Kranken Mut, man sagt ihr, dass es ihr besser gehe. Man wendet weiter die Techniken dieser Methode an. Abwechselnd schmeicheln und schütteln. Das sind Berufsgeheimnisse, Tricks und Köder, Mogelpackungen, die blenden, hypnotisieren, verzaubern.

Leise sprechen, fast unhörbar, schnurrend: Um die Sprache zu erschöpfen, damit die Patientin begreift, dass sie selbst ebenfalls Kauderwelsch spricht.

Liebenswürdig und häufig lächeln: Damit sie aus Nachahmung lächelt, wie das Baby bei seiner Amme.

Lange, sehr lange erste Sitzungen (wie grosszügig man hier empfangen wird!), diese dann ohne Erklärungen seltener und kürzer werden lassen. Der Patientin das Wort abschneiden, wenn sie mit gesenktem Kopf eine Metapher weiterspinnt. Sie muss spüren, dass sie austauschbar ist und dass die Methode bei allen gleichermassen angewandt wird. So banalisiert der Trick mit der Vertretung nicht nur die Leiden der Kranken, sondern die Therapie selbst. Ihre Probleme machen Sie nicht zur Heldin, und ich bin nicht der Wunderheiler, für den Sie mich halten.

Und der Trick mit den Schubfächern. Als Doktor Ursus von einem Schrank zum nächsten rannte – bong, bong, bong! Als würde er auf Trommeln schlagen! Ich hatte gedacht, er suche mir wirklich einen echten, von ihm geschriebenen Artikel. Er hatte nichts gefunden. Hatte er etwas gesucht? Warum hatte er nichts gefunden? Alles zählt, nichts zählt. Eines Tages treffe ich einen Zauberer, der mir sagt, dass ich der Mittelpunkt der Welt bin und dass ich niemand bin. Unsere Begegnung ist beliebig, die Klinik, die Stadt, der Planet sind ein Kasino im Zeichen des Zufalls. Der Zufall hat den Löwenanteil. Ein seltsames kleines Danke ist Doktor Ursus am Ende jener Sitzung entschlüpft. Keine Ursache, habe ich auf der Strasse gedacht. Ich war vorhersehbar, gehorsam, ich marschierte im Gleichschritt, ich bestätigte die Methode. Die nächste Sitzung würde erst in drei Wochen stattfinden.

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