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«Kuskus im Ksar»

Ein Fremdenlegionär isst bei Berbern in Gourrama

«Kuskus im Ksar»

Kommen Sie mit nach Gourrama, einem kleinen Militärposten im südlichen Marokko um 1923. Nordafrika gehört seit fast hundert Jahren zu Frankreich, und dieses sichert seine Herrschaft mit einer Armee aus Ausländern. Einer dieser Fremdenlegionäre, Lös, tanzt aus der Reihe. Er ist anders. Wenn ein nacktes Mädchen vor ihm steht, besinnt er sich, anstatt wie andere zuzupacken. Lädt ihn aber das Berbermädchen Zeno, das «ohne nutzloses Wiegen in den Hüften» geht, zu sich ein, folgt er ihr in den «Ksar».

Ein «Ksar», so erzählt Friedrich Glauser in seinem Debütroman «Gourrama» (1940 erstmals als Buch erschienen), ist ein Wohnblock, «der sich wie eine böse Märchenburg gegen den Himmel abhob». Der Zutritt ist für Legionäre streng verboten, aber Hand in Hand mit Zeno wagt sich Lös in ein Zimmer. Dort sind Hühner und ein abgemagerter Alter, sein langer, grauer Haarschopf «lud Allahs Hand ein, den daranhängenden Körper mitzuziehen, hinauf in eine reichere Welt». Eine Pfeife mit Kif macht die Runde, Zeno serviert süssen «Minztee» und richtet «Kuskus» an, während der Alte betet: «Es klang, wie wenn der Wind mit verkohltem Papier spielt.» Glauser beschreibt, wie das trichterförmige Tongefäss mit dem Couscous auf den Topf mit kochendem Wasser gesetzt und dann mit der Gemüsebrühe, die ein Couscous erst ausmacht, übergossen wird. Der Alte und das Mädchen kneten daraus kleine Kugeln, stecken sie dem Gast in den Mund: «Lös ass, denn er hatte Hunger. Und je vertrauter ihm der Geschmack dieser Speise wurde, desto stärker wuchs in ihm die Sehnsucht nach dem Körper des Mädchens, das neben ihm sass und sich an ihn lehnte.» Das Couscous wird zur Liebesbrücke.

Essen und Alkohol sind die Währung unter Wüstenlegionären. Lös verwickelt sich in Deals, in denen es nie um Couscous, sondern um Wein, Kartoffeln, Gerste, Schafe und Kühe geht, und schenkt das veruntreute Geld dem Mädchen. Das Desaster lässt nicht länger als im Leben des Autors selbst auf sich warten. Glauser war vor Problemen in der Schweiz in die Fremdenlegion geflohen, erlebte dort von 1921 bis 1923 die Garnisons-Tristesse, versuchte von Brüssel aus nach Belgisch-Kongo zu gehen, scheiterte aber erneut: «Ich wäre gerne wieder in die Kolonien zurückgegangen, denn ich fühlte, dass ich für das europäische Leben nicht mehr […] tauglich sei.» Notiert im Mai 1925 in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen – dann aber, 1934 in der Waldau: «Es ist mir, auch wenn es mir ganz schlecht gegangen ist, immer gewesen, als hätte ich etwas zu sagen, etwas, was ausser mir keiner imstande wäre auf diese Art zu sagen.» Genau, Glauser.


Friedrich Glausers Taboulé  

Personen 30 Minuten

Er ist schon so lange nicht mehr unter uns, dass sich sein «Kuskus» in ein Taboulé verwandelt hat. Es bildet die geopolitischen Kräfteverhältnisse des Romans ab: Couscous und Minze stehen für die lokalen Berber und levantinische Aromen für die Besatzungsmacht Frankreich, der grosszügige Gemüseanteil aber steht für den Schweizer Garten-Aficionado Glauser. Das (petersilienreiche!) Taboulé kennt man aus Syrien und dem Libanon, aber mit erhöhtem Couscous- und Gemüseanteil ehrt es den grossen Schriftsteller.

Marokkanischer Wüstenanteil

1 Tasse Couscous-Gries in eine flache Schale schütten, 1½ Tassen kochendes Wasser darübergiessen und quellen lassen, nach Wunsch ein Brieflein Safran einrühren.

Marokkanische Minze hacken und daruntermischen.

Französischer Besatzungsanteil

Schwarze Oliven, glattblättrige Petersilie, fein gehackt, und Kapern vermischen und zum Wüstenanteil geben.

Der Saft einer Zitrone bleibt für die Sauce reserviert, die andere in Scheiben für die Dekoration.

Schweizer Gartenanteil

Drei Tomaten würfeln, eine Salatgurke schälen, entkernen und würfelzuckergross schneiden, ein geschältes Rüebli in Würfelchen schneiden, einen Bund Frühlingszwiebeln grob hacken – alle drei Anteile sanft vermischen und auf einem grossen Teller anrichten.

Sauce der Versöhnung

Sambal Oelek oder Harissa mit Salz, Pfeffer, Zitronensaft und Olivenöl vermischen und über das schön angerichtete Taboulé verteilen – 20 Minuten ziehen lassen und servieren. Bon appétit!

 


Hildegard Keller
ist Literaturkritikerin (Literaturclub, Bachmannpreis), Professorin und Autorin. Sie schreibt und zeichnet sich durch die Literaturgeschichte.


Christof Burkard
ist Jurist und Mediator. Er malt und kocht sich durch die Weltgeschichte. Keller und Burkard betreiben www.maulhelden.ch

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