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«Mein Mann ist wirklich toll und hilft gut mit»

Wie oft ich diesen Satz bereits in zig Variationen gehört habe: «Er tut, was er kann, im Haushalt.» Aha.

«Mein Mann ist wirklich toll und hilft gut mit»
zvg.

Ich schaue von meinem Buch auf. Die Frau, die diesen Satz eben sagte, sitzt im Zugabteil neben mir; ein Kind schläft im Tragetuch auf ihrer Brust, den Telefonhörer hat sie fest ans Ohr gedrückt. Wie oft ich diesen Satz bereits in zig Variationen gehört habe. «Er tut, was er kann, im Haushalt.» Aha. «Heute durfte ich endlich mal wieder zum Sport.» Hm. «Er hat dem Kleinen die Windel gewechselt, damit ich mich fünf Minuten aufs Sofa legen konnte.» Wie schön.

Ich lese weiter: «I Love Dick», das Debüt der US-amerikanischen Schriftstellerin und Filmemacherin Chris Kraus, veröffentlicht in den 1990er Jahren. Das Buch, eine Mischung aus Roman und Essay, Fiktion und Selbstbeleuchtung, voller Gedanken über das Frau- und Künstlerinsein, liegt in meinen Händen wie ein glühender pink-grüner Stein. Die Protagonistin, Chris Kraus selbst, verliebt sich darin in Dick und schreibt ihm Hunderte von Briefen. Er reagiert kaum darauf. Und dennoch entdeckt Chris in diesem Schreibakt ihre ganz persönliche, schillernde Befreiung – nämlich vor allem durch das Gefühl, beim Schreiben einfach nicht zu bändigen zu sein:

«Dir zu schreiben, scheint einen hochheiligen Zweck zu verfolgen, weil es schlicht nicht genug niedergeschriebene weibliche Unbändigkeit gibt.» Nicht nur niedergeschriebene weibliche Unbändigkeit, möchte ich rufen, sondern Unbändigkeit überhaupt!

«Weisst du, im Büro hat er’s echt streng», sagt die Zug-Frau. Im selben Moment öffnet sich der Babymund auf ihrer Brusthöhe und weisse Kotze sickert auf die dunkelblaue Mutterbluse. Begleitet von Sirenengeheul marschiert die Unbändigkeit in unseren Zugwaggon und zeigt uns ihre funkelnden Zähne, die Unabhängigkeit, ihre kleine Schwester, an der Hand. Es gibt noch viel zu überlegen und überdenken in bezug auf die weibliche Unbändigkeit und ihre (Un-)Abhängigkeit von Kindern, Arbeit, Partnerschaft. Später mehr dazu. Ich lege meine Finger wie Krallen um Chris Kraus’ Buch und lese weiter. «I LOVE…»

Fortsetzung im nächsten «Literarischen Monat»…

 


Laura Vogt
ist Schriftstellerin. Zuletzt von ihr erschienen: «So einfach war es also zu gehen» (VGS St. Gallen, 2016). In ihrer Kolumne macht sie sich Gedanken zum Schriftstellerin- und Muttersein.

 

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