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Urs Faes: «Paris. Eine Liebe»

Urs Faes:
«Paris. Eine Liebe»

 

Urs Faes hat schöne Bücher veröffentlicht, schon bevor er bei Suhrkamp zu den sicheren Schweizer Werten gezählt wurde. In Sachen Liebesgeschichten bringt er es immer wieder fertig, wunderbar poesievoll zwischen Buchdeckel zu bringen, was eigentlich schon millionenfach vorgefallen und beschrieben ist. «Darf man vergessen?» lautet eine der Leitfragen dieses in Zürich lebenden Aargauer Autors.

Nun fragt er in «Paris. Eine Liebe»: «Darf man sich erinnern?» Das Bändchen ist als Nr. 1366 der exquisiten «Insel-Bücherei» erschienen, mit hochadäquaten Illustrationen von Nanne Meyer. Urs Faes hat sich hier stärker als je einem literarischen Neoimpressionismus verpflichtet. Diesem wird er mit einem stimmungsstarken, manchmal geradezu pointilistisch aufzählenden Sprachstil, durchsetzt von der Kunst der Anspielung, weitgehend gerecht. Wer heute zwischen 60 und 70 ist und sich erinnern möchte, wie die – inzwischen meist gescheiterte – Liebe in den Jahren nach 1968 war, erfährt frappante Identifikationserlebnisse. Da ist von einem Ring mit Datum Weihnachten 1971 die Rede. Der Verlobungsring des Rezensenten, eine Woche nach Faes im Aargau geboren, datierte vom 25. Dezember 1970. Und ist längst verlorengegangen.

Als poesievolle Rückschau eines intellektuellen Alt-68ers (das zeigen Studienthemen wie Hegel und Marx) überzeugt die Reisenovelle von Faes nicht nur im Bereich der emotionalen Erinnerung, sondern erweist sich gleichzeitig auch als literarisch-touristischer Reiseführer durch Paris. Nicht verwunderlich bleibt, dass der Protagonist Eric, welcher nach 30 Jahren seine damalige Liebe nach dem Motto «Ich will dir noch etwas sagen» nostalgisch nachempfindet, im heutigen Paris abermals Zeuge von Demonstrationen wird. Anstelle der Utopien «Seien wir Realisten, wollen wir das Unmögliche!» aber steht «A bas le plan de déstruction sociale» auf den Transparenten.

Zu den Protestierenden der 68er Zeit gehörte damals auch Erics verlorene Freundin Claudine. Von einer geistespolitischen Analyse jener Zeit, Selbstkritik nicht ausgeschlossen, kann bei Faes nicht einmal in Anspielungen die Rede sein. Anspielungen betreffen den in der Seine ertrunkenen Schriftsteller Paul Celan, ohne dass für Normalleser wenigstens sein Name genannt würde. Auch der Name Frisch wird nicht
genannt. Dabei ist ein Satz von Faes ein Zitat desselben in Frageform: «Und erfand man sich dazu eine Geschichte, die man für sein Leben hielt?»

Urs Faes erinnert. Er darf das. Denn auch mit seinem neuesten Œuvre erweist er sich als einer der sprachmächtigen Deutschschweizer Autoren unserer Zeit. Seine neoimpressionistischen Pariser Aperçus wären ein preziöses Geschenk für ehemals Liebende aller Generationen – und gewiss nicht nur für gealterte 68er.

Urs Faes: Paris. Eine Liebe. Frankfurt a.M.: Insel, 2012.

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