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Vincenzo Todisco: «Das Eidechsenkind»

Vincenzo Todisco:
«Das Eidechsenkind»

 

Vincenzo Todisco, 1964 in Stans geboren, mittlerweile in Rhäzüns lebend und Träger des Bündner Literaturpreises, legt sein Debüt in deutscher Sprache vor. Der Sohn italienischer Einwanderer hat bereits fünf Romane auf Italienisch geschrieben, von denen vier ins Deutsche übersetzt worden sind. «Das Eidechsenkind» ist ein eindringliches Werk, das einzig über seine grossen Ambitionen stolpert.

Protagonist ist ein «verbotenes» Kind italienischer Gastarbeiter in der Schweiz der 1960er Jahre: Lucertola, zu Deutsch: Eidechse. Ein Kind, das nicht hier sein dürfte und es doch ist. Sobald die Mutter Besuch eintreten lässt, hat es fünf Schrittlängen Zeit, um sich im Schrank zu verstecken. Nach einem cleveren und atmosphärischen Einstieg fächert Todisco virtuos beklemmend eine Kindheit auf, die geprägt ist von Verstecken und Angst. Der Vater auf dem Bau, die Mutter in der Fabrik, Lucertola hat sich still zu verhalten: «In der Wohnung kann das Kind nur so tun, als würde es mit dem Ball spielen, denn dort darf kein Ball sein. Viele andere Dinge, die es gibt, können in der Wohnung nicht sein.» Doch auch der italienischen Heimat entfremdet sich die Gastarbeiterfamilie allmählich. So will der Vater etwa in seinem Heimatort Ripa ein Haus bauen lassen – doch es wird gepfuscht und die Zementsäcke verschwinden spurlos. Die alte Heimat entgleitet ihnen und in der neuen sind sie noch nicht angekommen, daher leben sie von und in Geschichten.

Mit einem angenehmen Grundsound, einer unmittelbaren, dem Thema adäquaten Sprache sowie eingestreuten Anekdoten gelingt es dem Autor, dem bedrückenden Thema seines Romans Leichtigkeit zu verleihen. Todisco, der in Zürich Romanistik studierte und an der Pädagogischen Hochschule Graubünden unterrichtet, hätte ein höchst beeindruckendes Buch geschrieben, wenn er sich auf die Kindheit Lucertolas und die Situation der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter beschränkt hätte. Jedoch spult er danach das ganze Leben des «Eidechsenkindes» im Schnelldurchlauf ab, inklusive der Aufzeichnungen seiner Sozialtherapeutin, die einen nach den starken ersten Teilen ratlos lassen.

Vincenzo Todisco: Das Eidechsenkind. Zürich: Edition Blau, 2018.

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