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Christian Gasser:
«Rakkaus – Finnisch: Liebe»

 

Frank, Journalist aus der Schweiz, trifft an einem finnischen Frühlingsfest namens Vappu (Finnisch: Walpurgisnacht = Massenbesäufnis) seine grosse Liebe, Vaipa. Wegen ihr bleibt er in Finnland, wo er Sommerhauskoller, Winterdepression, Beziehungs-Morelli und einen Selbstfindungstrip durchlebt. Das ist der Rahmen, in dem sich Christian Gassers Romandebüt «Rakkaus – Finnisch: Liebe» bewegt. Gasser ist Schriftsteller, Journalist und Mitherausgeber des Comicmagazins «STRAPAZIN». Und er weiss, wovon er schreibt, denn schliesslich ist er mit einer Finnin verheiratet und verbringt seine Sommer seit Jahren in der finnischen Wildnis.

Franks Leidenschaft ist der finnische Tango. Über ihn will er eine Reportage schreiben, als er nach Finnland kommt: «Die finnische Sprache ist ein Traum für alle TangotexterInnen: Sie kennt kein Geschlecht, es sind immer alle mitgemeint, und alles ist möglich.» Solche Sätze empfehlen das Buch als Begleitlektüre zu den Filmen Aki Kaurismäkis («Lichter der Vorstadt») oder zu «Mittsommernachtstango» von Viviane Blumenschein. Musik spielt dabei eine wichtige Rolle, schliesslich singt Elvis höchstselbst in «Rakkaus» ein Karaokeduett mit einem toten Finntango-Meister. Bei Bier und Wodka, versteht sich. Der Roman lebt von diesen Überlagerungen, da in der Endlosigkeit der finnischen Landschaft die Grenzen zwischen Schein und Sein verwischen. Finnland erscheint aber auch ohne mythische Figuren als ein kurliges Land. Wer, wenn nicht die Finnen, erfindet Sportarten wie Handyweitwurf und Kampfschweigen? In letzterem übt man sich sogar bei Weltmeisterschaften. Beste Aussichten auf einen Podestplatz hat dabei ein ganz Stiller, nein: ein Schweiger, ein Stillschweiger: Sepp aus Lungern, Kanton Obwalden («Die Innerschweizer sind berüchtigt für Wortkargheit und Sturheit»), der seinen Mitschweigern den Tarif durchgibt – und ein Wörterbuch zur Schweige-WM mitnimmt. So will er die Sprache, in der er da schweigt, lernen, was die Konkurrenz vollends aus dem Konzept bringt.

Frank beobachtet die WM so lange und gründlich, dass Vaipa ihm davonläuft. Also schnallt er seine Langlaufski unter die Füsse und flitzt ihr hinterher. Wenn da nur dieser finnische Winter, Kaamos, nicht wäre. Der Kaamos (Finnisch: Depression) schluckt alles Leben, sogar das eigene Husten hüllt er in Watte, und er lässt es verhallen, als ob es nie gewesen wär: «Die Stille war matt und eng, nicht einmal der lauteste Schrei vermochte sie aufzureissen.» So bleibt Frank viel Zeit, sich an Vaipa zu erinnern, oder daran, welchen Weg durch den Schnee er eigentlich nehmen muss.

Manch sprachtheoretischer Erguss in «Rakkaus» mag überflüssig sein, manch gereihtes Klischee doch eins zu viel – aber beides ist nicht tragisch angesichts einer an Käuzen und Ideen reichen und ungewöhnlichen Geschichte. «Rakkaus» ist leichte Kost mit grossem Unterhaltungswert, ein toller, rasant zu lesender Roman.

Christian Gasser: Rakkaus – Finnisch: Liebe. Reinbek: Rowohlt, 2014.

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