Letzte Runde
Stefanie Sourliers letzte Kolumne im «Literarischen Monat» über das Trinken.
«WHITE HORSE: der Schriftsteller scheut sich vor Gefühlen, die sich zur Veröffentlichung nicht eignen; er wartet dann auf seine Ironie; seine Wahrnehmungen unterwirft er der Frage, ob sie beschreibenswert wären, und er erlebt ungern, was er keinesfalls in Worte bringen kann. Diese Berufskrankheit des Schriftstellers macht manchen zum Trinker.» – Max Frisch, «Montauk»
Schluss, fertig, aus. Ich höre auf damit. Mit der Arbeit in der Bar habe ich bereits aufgehört, mit dem Saufen auch beinahe. Und dies ist meine letzte Kolumne über das Trinken. Den Job in der Bar hatte ich gekündigt, weil ich dachte, mir endlich mal was Richtiges suchen zu müssen, mein Rücken war kaputt und mein Schlafrhythmus sowieso. Vom Schreiben leben zu können sei illusorisch, höre ich immer wieder, einfacher ist es, vom Leben zu schreiben.
Die Arbeitswelt da draussen hatte derweil nicht auf mich gewartet. Also arbeitete ich als Weihnachtsaushilfe in einer grossen Buchhandlung, mochte den Job, stand morgens früh auf und den ganzen Tag an der Kasse, zwischendurch einen Kaffee im Pausenraum, die Gespräche der anderen Kassiererinnen, die Buchtips der Buchhändlerlehrlinge – das alles erfüllte meinen Traum eines einfachen proletarischen Lebens. Schön war es auch, die Sache mit den Büchern einmal von der anderen Seite zu betrachten, zu sehen, dass das, was wir Literatur nennen, ohnehin ein Randphänomen ist, dass man froh sein kann, wenn die Leute überhaupt noch Bücher kaufen und vielleicht sogar lesen. Nebst «Eat better not less» und einem Buch namens «Der Weihnachtshund» verkaufte sich Alex Capus’ «Das Leben ist gut» besonders gut, kein Wunder in diesen Zeiten.
«Ein Kind zeugen, eine Bar aufmachen, ein Buch schreiben», dachte ich und rief Lili in Berlin an, um ihr diese Schnapsidee mitzuteilen. Vor kurzem hatte Lili nämlich gemeint, die Berliner Freunde hätten sich beklagt, ich würde ja auch kaum mehr trinken. Was in etwa hiess, ich sei nun doch genau so vernünftig geworden wie alle anderen mit ihren Kindern, ihrer Karriere, ihrer der Weizen- und Laktoseintoleranz geschuldeten veganen mikrobiotischen Ernährung, ihrem Early-Bird-Yoga und der von den Eltern finanzierten Eigentumswohnung gegen die Verdrängung aus dem Kiez. «Genauso langweilig, meinst du wohl», sagte ich.
Tatsächlich scheint mir das Leben ohne Trinken eine eher langweilige Angelegenheit. Wehmütig denke ich zurück an Abende in der «Olfe» nach einer Lesung, es ist halb zwei Uhr morgens und ich versuche mit meinem dreimal so schweren Lieblingsverleger mitzuhalten, bestelle doch noch das fünfte Bier. Ich hatte vergessen, etwas zu essen, ein Bier gleich drei Semmeln, denke ich, und der Verleger sagt: «Du bist die Königin.»
Was macht eine Königin im Dreck?, denke ich später, und mir fällt die Frau ein, die einmal Schneebälle an die Fenster der Bar geworfen hatte. «Spielt dir das Leben übel mit, folgt daraus wenigstens eine gute Geschichte», pflegte Lili zu sagen. Gleichzeitig ist es ja so, dass der Alkohol einen eben in den Moment hineinkatapultiert, ohne dass man überlegt, was gestern war und was morgen sein könnte oder ob dieser Moment vielleicht veröffentlichungswürdig wäre. Mein Vorsatz für dieses bereits angezählte und insgesamt bisher eher bescheidene Jahr lautet deshalb: Mehr saufen und weniger (darüber) schreiben. Oder vielleicht doch besser umgekehrt.
Kafi fertig
1 Würfelzucker
3 cl Zwetschgenschnaps
in ein Glas geben, mit frischem Kaffee auffüllen, fertig.
Nicht zu verwechseln mit dem Kafi Luz, der mit sehr dünnem, quasi durchsichtigem Kaffeebrühwasser aufgefüllt wird und durch den man die «Luzerner Zeitung» oder ganze Bücher lesen kann.