Michèle Roten:
«Wie Frau sein»
Michèle Roten hat ein Buch über Feminismus geschrieben, zusammengestellt aus Kolumnen und Artikeln der letzten Jahre, eingebettet in einige Ergänzungen. Es ist das «Protokoll einer Verwirrung», in dem sie dem Lebensgefühl der um die 30jährigen Ausdruck verleihen will, besonders der Frauen, für die Gleichberechtigung immer etwas Selbstverständliches war, bis sie merkten, «dass die Welt noch nicht so weit ist wie sie». Diese Erkenntnis kommt tatsächlich vielen jungen Frauen irgendwann, nicht nur denen, die mit Puppen gespielt haben und trotzdem Astronautin werden wollten, sondern auch denen, die schon als Säugling zu Frauendemos getragen wurden und denen es viele Jahre fast unerträglich peinlich war, wenn ihre Mütter z.B. die Sportleiterin bei der Damenwassergymnastik darauf hinwiesen, dass der Satz «Jeder sucht sich einen Partner» in dieser Situation grammatikalisch doppelt falsch ist. Und wenn sie kommt, diese Erkenntnis, dann folgt auf die Verwirrung doch schnell ein Gefühl, endlich auf dem richtigen Weg zu sein, näher an der Realität, näher am Leben – selbst wenn sich, nein gerade weil sich Fragen ergeben: Ist das typisch weibliches Verhalten? Gibt es das überhaupt und woher kommt es? Roten geht diesen Fragen nach, oft ohne sie allgemeingültig oder gar abschliessend zu beantworten. Sie beschreibt selbstkritisch, witzig und klug lebensnahe Alltagssituationen, liefert interessante und fundierte Untersuchungsergebnisse und erfrischende Vorschläge für moderne Lebensziele. Doch hin und wieder verfällt sie selbst in die Klischees, die sie eigentlich zu entlarven bemüht ist – was Frauen wollen, was Männer wollen, ist niemals einheitlich. Wer sich aus der Verwirrung herausarbeiten möchte, sollte doch noch einmal etwas weiter zurückgehen: z.B. Simone de Beauvoir lesen und Alice Schwarzer eine Chance geben. Dann den Müttern verzeihen und allen Freund-Innen, denen der Feminismus immer noch suspekt ist, das Buch von Roten schenken.
Michèle Roten: Wie Frau sein. Basel: Echtzeit, 2011.