Martin Suter:
«Allmen und die Erotik»
Allmen und Carlos – Martin Suters berühmt-berüchtigtes Ermittlerduo – ist in «Allmen und die Erotik» wieder auf Zürichs Strassen und Wasserwegen unterwegs. Johann Friedrich von Allmen, der auf das «von» gern verzichtet, um ihm mehr Gewicht zu verleihen, befindet sich, wie eigentlich immer, in einem finanziellen Engpass. Ein Umstand, der den Meister des Schuldenmachens dazu verleitet, aus einer Vitrine der Literarischen Gesellschaft Sternwald ein Mini-Fabergé-Ei mitgehen zu lassen – Allmen lässt sich gern für das «Wiederfinden» gestohlener Kunst bezahlen.
Dummerweise wird er dieses Mal bei seiner Tat gefilmt, was zur Folge hat, dass ihn ein gewisser Krähenbühl erpresst. So geraten Allmen und sein Diener Carlos – der ehemalige Schuhputzer aus Guatemala ist längst zu einer Art Geschäftspartner mutiert – an ihren neuen Fall, der sie auf einen geheimen Schatz wertvoller Porzellanfigürchen stossen lässt und gehörig ins Schwitzen bringt. Denn nicht nur Gefällig-Harmloses lässt sich in Porzellan formen, sondern auch explizit Erotisches, ja Deftig-Anzügliches. Sowohl die Erotik als auch Krähenbühl setzen Allmen zu: «Es war schon vorgekommen, dass er sich mit einem Kater etwas zittrig fühlte. … Diesmal fühlte er das Zittern nicht nur. Er sah es. Plötzlich war ihm klar, was es bedeutete: Er hatte Angst.»
Martin Suter schreibt Roman um Roman, und in der Regel landen diese Romane auf der Bestsellerliste. Womöglich liegt es daran, dass er seine Figuren absonderliche Geschichten erleben lässt oder ihnen einen Lebensstil verpasst, dem der eine oder andere Leser auch mit Vergnügen frönen würde. Wer wäre nicht hin und wieder gern der perfekte Gentleman, der Hallodri mit ausgezeichneten Manieren, der an einem Negroni «on the house» nippt, während der loyale, bauernschlaue Butler Bankkonto und Gesundheitszustand im Auge behält? «Er pflegte seinen Early Morning Tea um sieben Uhr zu trinken und danach noch etwas zu dösen. Und wenn Carlos beim Eintreten feststellte, dass er noch schlief, stellte er das Tablett auf den Nachttisch und zog sich leise zurück.» Suters sprachliche Ästhetik ist einfach, der Ausgang der Geschichten ein bisschen durchschaubar, doch seine filmische Erzählweise, in kurzen Szenen, hält die Spannung immer aufrecht. Gerade diese Umstände machen es wohl aus, dass viele so verdammt gerne Suter lesen. Keine kompliziert-konstruierte Literatur für das Ego von Kritikern, sondern warmherzig und elegant erzählte Geschichten, die amüsieren und den Leser relaxt und zufrieden zurücklassen.
Nach «Allmen und die Libellen» und «Allmen und der rosa Diamant» eignet sich auch «Allmen und die Erotik» für eine TV-Verfilmung. An einem laschen Samstagabend Heino Ferch und Samuel Finzi genüsslich beim Hochstapeln zuschauen, dazu ein mehr oder weniger ausgewählter Drink – ich freue mich schon drauf.
Martin Suter: «Allmen und die Erotik.» Zürich: Diogenes, 2018.