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Rad vs. Smartphone, Runde 1

Sport schreiben & Wort treiben

Rad vs. Smartphone, Runde 1
Bild: zvg.

In diesem Sommer flatterten nicht nur Pollen, sondern auch Selbstzweifel in mein Leben. Im März erschien mein Debütroman, er wurde anständig besprochen, sorgte für viel positives Echo bei den Leserinnen und Lesern. Aber die ganzen Fragen, die mit der Publikation einhergehen! Komme ich ob dieser medialen Flut noch zum literarischen Schreiben? Bin ich dem Druck gewachsen? Komme ich über die Runden? Aus diesem konstanten inneren Krampf erwuchs ein Ritual, das mir half, das muntere Drunter und Drüber zu meistern: Ich setzte mich mit einer Dose Sekt ins Tram und erledigte die Korrespondenz übers Handy. Im ÖV fühle ich mich sicher. Hier haut es mich nicht aus der Bahn, wenn mal wieder eine Anfrage – ob ich wohl an Tag Xfür Projekt Y Zeit hätte? – meine Agenda durcheinanderbringt. Hier kann ich nicht losschreien, wenn es wieder mal heisst: «Leider können wir kein Honorar bieten.» Hier kriege ich Applaus von den Mitfahrenden, wenn ich stattdessen sage: «Nicht mit mir.» Leider musste ich mir aber irgendwann eingestehen, dass dieses Ritual nicht dieerhoffte Erleichterung bringt. Sobald ich schliesslich mit leerer Dose wieder zuhause ankam, quollen mit jedem «Bing» meines Postfachs die Selbstzweifel zurück an die Oberfläche. Und das dann auch in angetrunkenem Zustand.

Also holte ich das Velo aus dem Keller. Beim Fahrradfahren sind Handy und Alkohol tabu (ich kann es noch nicht freihändig), und als Sportlerin weiss ich: Bewegung tut gut. Also eine Runde um den Block drehen! Doch schon an der nächsten Ecke musste ich hören: «Absteigen!» Drei Polizisten wollten wissen, ob ich betrunken sei. Ich streite es nicht ab, nicke instinktiv. Ob ich nicht wisse, dass ich dafür eine Busse bekäme. «Nein», antwortete ich. Da fragte der älteste Ordnungshüter: «Was arbeiten Sie eigentlich?» – «Ich bin Autorin», murmelte ich, «das ist eine schwierige Phase momentan.» 

Die Polizisten zogen sich zur Beratung zurück. Dann kam einer väterlich grinsend zu mir zurück: «Okay, wir drücken ein Auge zu. Sie können jetzt gehen.» Als ich in die Pedale treten wollte, bekam ich abermals etwas Unerwartetes zu hören: «Gehen sollen Sie! Und Sie haben da sowieso einen Platten.» Tatsächlich hatte das Vorderrad enorm wenig Druck auf dem Schlauch. An eine Flucht war nicht mehr zu denken. Aber vielleicht ist die Polizei ja wirklich dein Freund und Helfer? Nein, denn sonst hätten sie meinen Reifen gewechselt. Ich seufze und stosse meinen Göppel nach Hause. Ehe ich weiss, wie mir geschieht, habe ich das Smartphone in der Hand und checke den Mailordner. Das wird ja wohl nicht verboten sein.


Laura Wohnlich
ist Schriftstellerin und Sportlerin. Hier bringt sie beides unter einen Hut. Ihr Roman «Sweet Rotation» ist 2017 bei Piper erschienen. Sie lebt und arbeitet in Basel.

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