Rote Rosen für Frau Oberling
Für Sie, ja für Sie hab ich sie gepflückt, die roten Rosen, denn es dünkt mich, als passten sie nur all zu gut zu Ihren teuren Lippen, Frau Oberling, zu Ihren feinen Fingern von früher, Frau Oberling, Sie haben schöne Finger, ich mag Ihre Fingerbeeren wie sie jetzt die Rosen halten, sie wirken gut aufgehoben, […]
Für Sie, ja für Sie hab ich sie gepflückt, die roten Rosen, denn es dünkt mich, als passten sie nur all zu gut zu Ihren teuren Lippen, Frau Oberling, zu Ihren feinen Fingern von früher, Frau Oberling, Sie haben schöne Finger, ich mag Ihre Fingerbeeren wie sie jetzt die Rosen halten, sie wirken gut aufgehoben, die zarten Rosen in Ihren Händen, Frau Oberling, sie wirken aufgehoben bei Ihnen und ich weiss dass Sie sie in Wasser stellen werden, nicht zu viel, und ich weiss dass Sie die Rosen nicht in warmes Wasser stellen werden, denn die Köpfe sind schon geöffnet, die Köpfe der Rosen, Frau Oberling, ich mag Ihren Kopf, ich mag Ihre Kopfform, sie erinnert mich an eine satte Birne im Herbst, eine wohlig geformte Birne im Herbst, kurz bevor sie reif vom Baum fällt, kurz bevor ich auf die Leiter steig und die Birne pflücke und betrachte und dann hinein beisse und das Fruchtfleisch an meinen Zähnen haftet und sich ein Flaum in meinem Mund bildet. Frau Oberling, rote Rosen schenk› ich Ihnen, ich hab sie aus einem Garten in der Stadt, doch in der Stadt gedeihen Rosen nicht recht, sehen Sie, wie eine schon den Kopf hängen lässt, Frau Oberling, sehen Sie es auch? Vielleicht brauchen sie ein wenig mehr Sonne, stellen Sie die roten Rosen doch auf ein Fenstersims, dann blicken sie nach draussen, Frau Oberling, die roten Rosen blicken nach draussen und Sie können gerne mit ihnen nach draussen blicken, dann fühlen sie sich auch bestimmt nicht allein, die roten Rosen, fühlen Sie sich manchmal allein, Frau Oberling? Ich habe darum einige Zeitungsseiten um die Rosenstile gebunden, die können Sie in langen Stunden lesen, Frau Oberling, bei einem Artikel geht es um den neuen Trend der Sommerhüte, er dürfte Sie interessieren, denn ich denke, ein Sommerhut würde Ihnen gut stehen, Frau Oberling, sehr gut sogar. Ein blauer, mag sein, ein blauer Hut könnte Ihren Kopf sehr schön zieren, stell ich mir vor, Sie könnten damit spazieren und die Nachbarn würden Sie bewundern und aus dem Fenster schauen und guten Tag rufen, auch die roten Rosen würden Sie durchs Fenster sehen, aber sie können nicht rufen. Frau Oberling, jetzt schauen Sie aber ein wenig traurig, vielleicht hätte ich doch besser den Artikel über Hauskatzen mitgebracht, ich entschuldige mich, die Sommerhüte sind ja teuer und man kann sie nur in der Stadt besorgen, aber wenn Sie in die Stadt fahren, Frau Oberling, wer gibt dann den roten Rosen Wasser? Ich könnte Ihnen das nächste Mal einen Hut mitbringen, Sommerhut, vielleicht nicht einen so teuren wie jene aus dem Artikel es sind, aber immerhin einen Hut, auf den könnten Sie ja noch etwas sticken, Frau Oberling, Sie sticken doch gerne. Sie sticken gut, denn Ihre Fingerbeeren sind unversehrt, sehe ich, sie sind so elegant, die Beeren und Ihre Lippen und Ihre Kopfform, Frau Oberling, so elegant, ich könnt Sie nicht berühren mit meinen schmutzigen Händen, Frau Oberling, drum lass ich die roten Rosen hier, vergessen Sie nicht das Wasser, sie brauchen es sehr.