«Würdest du den roten Knopf drücken, der alles Leben schmerzfrei und sofort auslöscht?»
Die wenigsten bewusst kinderlosen Schriftsteller*innen würden sich wohl als Antinatalist*innen bezeichnen, aber die Frage nach der eigenen Familie beschäftigt viele von ihnen.
Um diese Frage ranke ich mich derzeit in meinem neuen Romanprojekt anhand zweier literarischer Figuren: Nora hat ein Kind auf die Welt gebracht, ein Wesen, das ihre ganze Aufmerksamkeit fordert, das sie liebt und beglückt, ohne dass sie es rational erklären könnte. Sibylla hingegen hat einst ein Kind abgetrieben, engagiert sich für ein Waldprojekt und nennt sich Antinatalistin. Kinder in die Welt setzen? Bloss nicht.
Die wenigsten bewusst kinderlosen Schriftsteller*innen würden sich wohl als Antinatalist*innen bezeichnen, aber die Frage nach der eigenen Familie beschäftigt viele von ihnen. Das zeigt sich auch in der aktuellen Ausgabe des Literaturmagazins «Poetin» zum Thema «Autorschaft und Elternschaft». Im darin publizierten Essay von Kerstin Preiwuß etwa wird deutlich, wie sehr einen die eigenen Kinder von der persönlichen Poetik entkoppeln können. «Schreiben kann bedeuten, man tritt in Abstand zur Welt und findet bei klarer Sicht Abstraktion heraus. Nur kann ich nicht mehr zur Welt auf Abstand gehen, um die Wörter zu betrachten, die für die Tatsachen stehen, denn ich muss sie permanent gebrauchen und in ihnen handeln.» Gebunden an Zeit und Raum, fügt Preiwuß als Mutter «Handlungen und Tätigkeiten wie Puzzleteile aneinander». Es ist mehr als Zeit, was ihr so als Schriftstellerin fehlt: «Ich bin sentimental. Vor allem sentimental. Und müde. Ich bin gefühlsarm. (…) Ich bin permanent unzufrieden. Glaub mir nichts.» Ich glaube ihr nichts und glaube ihr alles. Denn das Schreiben speist sich aus dem Leben und damit auch aus den Kindern, die wir aufziehen, aus der Müdigkeit, der Unzufriedenheit. Aber das Schreiben verlangt gleichzeitig nach einem ganz eigenen Raum. Und, fast banal, nach Konzentration.
So würde ich und würde vielleicht auch Kerstin Preiwuß manchmal gerne einen Knopf drücken, der es ermöglicht, die eigenen Kinder für einige Stunden ganz zu vergessen. Nur fürs Schreiben da sein zu können, mit geöffnetem Geist, hin zu den Figuren, die – beispielsweise – frei und unbeschwert den Antinatalismus ausloten.