Brief aus dem Tessin #1
Ich freue mich, diese Rubrik mit der Empfehlung dreier grossartiger Bücher zu eröffnen, die von drei der wichtigsten Tessiner Autoren stammen – und zufällig alle im Jahr 2014 erschienen. Beginnen wir mit «Frantumi» (Alla Chiara Fonte) von Giovanni Orelli. Ein präzises, linguistisch wie formal kraftvolles Buch, in dem ein reicher Dialog mit dem Tod entsteht, […]
Ich freue mich, diese Rubrik mit der Empfehlung dreier grossartiger Bücher zu eröffnen, die von drei der wichtigsten Tessiner Autoren stammen – und zufällig alle im Jahr 2014 erschienen.
Beginnen wir mit «Frantumi» (Alla Chiara Fonte) von Giovanni Orelli. Ein präzises, linguistisch wie formal kraftvolles Buch, in dem ein reicher Dialog mit dem Tod entsteht, oder besser mit dem Sterben, wie Pietro De Marchi in seinem konzisen Vorwort im Zusammenhang mit einem der gelungensten Texte des Gedichtbandes, «A Farewell», bemerkt: «Giovanni Orellis Text schlägt tiefgründige Saiten an, er preist die schmerzliche Unwiederholbarkeit jedes Augenblicks unserer Existenz, und das klingt beinahe wie ein Abschiedsgruss an die Jugend, an die Schönheit, vielleicht auch an die Poesie.»
Danach zu «Argéman» (Casagrande) von Fabio Pusterla: Nach «Corpo stellare» von 2010 legte Pusterla damit erneut einen Gedichtband vor, und zwar einen grandiosen. «Argéman» – das geheimnisvolle, dem Dialekt entstammende Wort bezeichnet die Gletscherzunge, aber auch eine Blume und eine Ortschaft in Palästina – besteht aus 150 (!) unterschiedlich langen Gedichten. Das Themenspektrum ist vielfältig, die Ironie, der Sarkasmus und vor allem seine ethische Verbundenheit (inzwischen ein Markenzeichen) erinnern aus der Nähe an die Werke von Fortini oder Pasolini.
Im Dezember erschien ausserdem endlich das (hier im Tessin mit grosser Neugier erwartete) Buch «Miló» (ebenfalls Casagrande) von Alberto Nessi, ein Band mit achtzehn Prosatexten zum weiten Thema der Erinnerung. Die Protagonisten dieser feinfühligen Erzählungen sind Vorfahren, Verschwundene oder auch einfach Unsichtbare. Wie zur Erinnerung daran, dass die Kunst mit diesen Konzepten unabänderlich verbunden ist: «Der Wunsch zu schreiben entsteht aus dem Tod. Aus dem Bewusstsein, dass alle Dinge ein Ende haben.»
Aus dem Italienischen übersetzt von Barbara Sauser.