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Editorial

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser

Es ist lange her, dass man einer Schweizer Neuerscheinung das Prädikat «Weltliteratur» beigemessen hat. Dieses Jahr war es dann aber sogar zweimal so weit: Zunächst sprach Denis Scheck Michael Fehrs «Simeliberg» das Prädikat zu – im deutschen Fernsehen, vor Millionenpublikum. Und tatsächlich: die Geschichte um den Gemeindsverwalter Griese, der in der verregneten Berner Provinz Mühe hat, Naivlinge, Verschwörer und Terroristen voreinander zu schützen – und am Ende trotz, nein gerade wegen seines besten Willens mittendrin steckt, ist in Inhalt wie in Form die Entdeckung des Jahres. Treue Leser des «Literarischen Monats» wissen das natürlich längst. Auch von Christian Kracht haben Sie in dieser Zeitschrift schon häufiger gelesen, ebenfalls nicht ohne Grund: sein Südseeroman «Imperium» hat in diesem Jahr geschafft, was wenigen deutschsprachigen (und noch weniger Schweizer) Büchern gelingt: er wurde ins Englische übersetzt, erschien beim New Yorker Traditionsverlag Farrar, Straus and Giroux  und wurde jüngst vom US-Branchenmagazin «Publishers Weekly» zu einem der besten Titel des Jahres gekürt (S. 31). Sollten Sie also zu jenen gehören, die an Weihnachten mal wieder den Buchhandel retten: hier sind zwei Titel, die nicht nur «Weltliteratur» genannt werden, sondern wirklich in jede anständige zeitgenössische Sammlung gehören.

 

Sie besitzen die beiden zukünftigen Klassiker schon? Freuen Sie sich doppelt: Kracht wird bereits im Frühjahr sein nächstes Buch abschliessen. Und Fehr wird schon ab Dezember wieder lesend, singend, schauspielernd (vielleicht gar tanzend) die Bühnen des Landes bespielen. 2016 bringt aber auch Neues von Tim Krohn (Was für eine Geschichte! Mehr ab S. 36), Catalin Dorian Florescu (s. literarischermonat.ch) und vielen anderen Schriftstellerinnen und Schriftstellern – wir haben für Sie die spannendsten Köpfe und Projekte zusammengetragen (Schwerpunkt ab S. 30). Eins vorweg: es sieht, und das sage ich jetzt für einmal auch ganz unbescheiden, so aus, als stünde uns ein weiterer hervorragender Jahrgang ins Haus.

 

Ich wünsche Ihnen frohe Lektüre, ebensolche Weihnachten und einen guten Rutsch!

 

Ihr

Michael Wiederstein

PS: Im Januar wird René Scheu, unser langjähriger Chefredaktor, die Leitung des NZZ-Feuilletons übernehmen. Unsere ehemalige Redaktorin Claudia Mäder amtet bereits seit Herbst bei den «Büchern am Sonntag». Beide haben die Entstehung dieser Zeitschrift nicht nur mit Herzblut gefördert, vorangetrieben und mitgestaltet – sondern sie durch ihre hervorragende Arbeit in den letzten Jahren auch zum Erfolg geführt. Danke für die phantastische Zusammenarbeit! Und: wir freuen uns auf Konkurrenz von der Falkenstrasse!

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