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Eva Roth: «Blanko»

Eva Roth:
«Blanko»

 

«Afrika, was immer das ist, wummert in mir.» Die Protagonistin von Eva Roths Erstlingsroman, die dunkelhäutige 17jährige Ayleen, weiss nicht, was es mit diesem beunruhigenden «Wummern» auf sich hat. So «bohrt [sie] unerbittlich in die Tiefe», wie der Verlag schreibt. Denn sie weiss nur, dass ihr Vater, den sie nie erlebt hat, «von der afrikanischen Kontinentalplatte» stammte, und ihre Mutter verschliesst sich immer gleich, wenn von ihm die Rede ist.

Das geologische Vokabular, das den Text durchzieht, hat zwei Gründe. Zunächst einen thematischen: Rolf, der Vater von Ayleens Freund, ist nämlich Geologe und lädt das Mädchen gelegentlich ein, ihn an seine Thermalwasserbohrungen zu begleiten. Aber es gibt auch eine metaphorische Begründung: Ayleen erlebt das wenige, was sie an Familie umgibt, durchwegs als kalt, unzugänglich und «versteinert». Sie ist nämlich Einzelkind und lebt bei ihrer Mutter Silvia, die das Kind von der Verwandtschaft vollständig isoliert hat. Damit will Ayleen sich nicht mehr länger abfinden. Da Silvia beharrlich schweigt, sucht Ayleen nach anderen Menschen, die ihr von der Vergangenheit berichten. Von Mutters Freundin erfährt sie, dass ihre Eltern sich nur einmal trafen und ein einziges Mal miteinander schliefen. Danach sei der Vater wohl ausgeschafft worden – ohne von der Vaterschaft gewusst haben zu können. Er habe «etwas Erhabenes gehabt», sagt die Freundin dazu, als sei er der «Abkömmling einer afrikanischen Königsdynastie».

Wunschbilder durchdringen diese Spurensuche; und das passt, denn der Roman bildet nicht nur eine Vatersuche ab, sondern ist auch eine berührende Identitäts- und Coming-of-Age-Geschichte und ein beachtliches Debüt. Allerdings kommt die kleinteilige Ich-Erzählung zu geschachtelt daher und wird immer wieder unterbrochen von auktorial erzählten Rückblicken auf Silvias dramatische Familiengeschichte. Das macht ihn sperriger als nötig. Dazu kommen aus dem Mund der 17-Jährigen auch ziemlich altkluge Sätze – ihre Mutter, sagt sie beispielsweise, «wehrt sich gegen die Kapillarwirkung der Zeit» – und die Autorin gestattet sich gelegentlich auch schiefe Bilder («Silvia wurde neutral wie ein Stück Lyoner Wurst»). Gewichtiger ist der Einwand, dass Ayleens «Nicht-weiss-Sein» erstaunlich wenig Auswirkung auf das Erzählte hat, obwohl Silvias Familie und ihr Dorf als ziemlich fremdenfeindlich beschrieben werden. Kann die farbige Protagonistin wirklich so unauffällig leben? Zu gönnen ist es ihr natürlich – ebenso wie die kleine Hoffnung, die am Schluss aufscheint. Da sitzen sich Mutter und Tochter nämlich nicht mehr stumm gegenüber. Ayleen ist volljährig geworden. Sie hat beschlossen, auf eine Reise nach Afrika zu gehen; will Silvia eben mitteilen, dass sie dort «untersuchen» will, «wo die nächsten Erdstösse zu erwarten sind», da beginnt die Mutter von sich aus ein Stück Vergangenheit preiszugeben. Der Vater hatte Narben am linken Arm, erinnert sie sich, und kam aus einem Kriegsgebiet; «es könnte Angola sein».

Eva Roth: Blanko. Zürich: edition 8, 2015.

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