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Beatrice von Matt:
«Mein Name ist Frisch. Begegnungen mit dem Autor und seinem Werk»

 

Beatrice von Matt hat zum 100. Geburtstag von Max Frisch eine Reihe von bereits publizierten Aufsätzen überarbeitet und in einem Sammelband neu herausgegeben. Es handelt sich dabei nicht um im engeren Sinne wissenschaftliche Abhandlungen, sondern um mit viel Einfühlungsvermögen und Wohlwollen gegenüber dem Autor gezeichnete Portraits. Sie sollen uns Frisch von seinen Anfängen bis hin zu den Involutionen des Alterswerks wieder vergegenwärtigen. Das Buch beginnt mit einer Einladung von Max Frisch an Frau von Matt in dessen Wohnung an der Stadelhoferstrasse, wo er sich angesichts seines bevorstehenden Todes von ihr persönlich verabschieden möchte. In dieser persönlichen Art und Weise hat er sich auch von anderen verabschiedet. Es endet mit einem Abschnitt über Tod und Weiterleben, worin die Autorin unter anderem auf das bekannte zwiespältige Verhältnis von Max Frisch zu Zürich und umgekehrt aufmerksam macht. Der Ursprung dieses Zwiespaltes soll auf eine Bemerkung des Inlandredaktors der NZZ Ernst Bieri zurückgehen, der in einem Leitartikel vom Mai 1945 moniert habe, das Stück «Nun singen sie wieder» relativiere die deutsche Kriegsschuld. Eine Richtigstellung von Max Frisch wurde nicht abgedruckt. Auch scheinen «manche, gerade ältere Mitbürger, noch jetzt mit Frisch zu hadern», dass er seine «hochangesehene Frau Gertrud Constanze von Meyenburg samt den drei Kindern» verlassen habe. Privates scheint also manchmal länger in der Erinnerung zu bleiben als das Œuvre.

Vieles ist an diesen Essays für Frisch-Leser bereits bekannt, bemerkenswert aber erscheint das bisher unpublizierte Kapitel 4, worin die Verfasserin Luigi Pirandellos «Mattia Pascal» als einem Vorbild des «Stiller» nachspürt. Ist das Werk, mit dem Max Frisch den Durchbruch schaffte, womöglich eine Sekundogenitur des italienischen Romans? Die Frage wird im Sinne einer «legitimen Befruchtung von Autoren durch Autoren» beantwortet.

Vorbildlich ist denn auch der respektvolle Ton, mit dem Beatrice von Matt ihrem Autor begegnet, der vielen «stummen» Schweizern und Deutschen der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts Worte für ihr Empfinden gegeben hat. Die Essays sind zudem flüssig und eingängig geschrieben; ergänzend sei hier aber noch erwähnt, wie Leser des damaligen «Brückenbauers» anlässlich des Todes von Frisch ihm gedankt haben: «‹Schon wieder die ersten Knospen…› Seit mehr als vierzig Jahren und auch diesmal wieder erlebe ich diese immer wiederkehrende Jahreszeit, den Frühling, den Sie so echt berufen, mit Ihren Worten: ‹Bläue schwimmt durch das spröde Gezweig, Büsche und Sträucher sind wie ein Sieb […] Irgendwie ist es zuviel, vor allem das Zwitschern der Vögel, wenigstens riecht es nach Jauche.› Sie haben uns erlösende Worte geschenkt, dafür danke ich Ihnen.» So Elisabeth Fischer-Roy aus Zürich. Das von ihr erwähnte Zitat stammt aus dem «Tagebuch 1946–1949».

Vielleicht gehört ihm, wie auch dem zweiten «Tagebuch 1966–1971», mehr als «Stiller» die Zukunft. Es gälte also, Frisch selber wieder zu lesen und sich durch Sätze wie etwa die folgenden aus dem ersten Tagebuch erneut provozieren zu lassen: «Geld: das Gespenstische, dass sich alle damit abfinden, obschon es ein Spuk ist, unwirklicher als alles, was wir dafür opfern. Dabei spürt fast jeder, dass das Ganze, was wir aus unseren Tagen machen, eine ungeheuerliche Schildbürgerei ist; […].»

Beatrice von Matt: Mein Name ist Frisch. Begegnungen mit dem Autor und seinem Werk. Zürich: Nagel & Kimche, 2011.

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