«Herr Mezger, warum schreiben Sie nicht mal was Politisches?»
Ich bin links, seit ich denken kann. Und wenn die Rechten denken könnten, sie wären es auch. Denn denken können heisst, nicht bloss an sich selbst zu denken.
Als Teenager war mir klar, wie die «politische» Geste geht: dagegen sein. Gegen Regeln, das System, gegen die Polizei. Dabei waren es längst neue Zeiten. Wer heute aus dem Staat Gurkensalat machen will, sind die Parteien rechts der Mitte, und die politische Geste, die nun fällig ist, ist staatstragend: stolz sein auf gesellschaftliche Errungenschaften, auf das Sozialsystem, das Völkerrecht, die Solidarität. Bei Lichte betrachtet, müsste man es Patriotismus nennen. Wenn der Begriff denn nicht so unangenehm besetzt wäre. Und so unsexy.
Apropos «besetzt»: Dass die wählerstärkste Partei des Landes uns eine Selbstverständlichkeit nach der anderen aus der Hand schlagen will, mobilisiert zwar, aber eigentlich entpolitisiert es auch. Denn wenn die einzige Haltung, die es derzeit braucht, ist, gegen SVP & Co. zu sein, dann braucht es nicht allzu viel politisches Denken.
Es braucht Zeitungsartikel, Podien, Diskussionen, die Themen setzen.
Es braucht aber keine Texte, die das nochmals in Literatur verschlüsseln.
Die gesellschaftliche Aufgabe der Kunst ist doch die: Das sichtbar machen, was anders nicht sichtbar wird. In gewissen Kontexten mag das heissen, auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen. Aber noch öfters: Auf den Menschen an sich schauen, untersuchen, was ihn bewegt. Wörter und Selbstverständlichkeiten in Frage stellen.
Darum ist Schreiben per se ein politischer Akt: Es stellt uns in Frage.
Der Ruf nach «politischen Texten» ist dagegen oft bloss der Wunsch nach Massage: «Ah, da denkt noch einer so wie ich, das tut gut, und kannst du da nochmals ran, da ein bisschen rechts, ja, genau. Und erzähl nochmals vom Zustand dort in Dings, klingt ja schlimm, zum Glück haben wir es so viel besser hier.»
Und darum ist auch dieser Text nicht politisch. Trotz markiger Einstiegspolemik, trotz Widerstandsgeste. Geschrieben ist er im sicheren Rahmen, er massiert die Stellen, die wir kennen. Die einzige Folge, die ich zu befürchten habe: ein aufgehübschtes Image.