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Hochstapler und Juristen

Hochstapler und Juristen

 

Kürzlich sind im Rahmen der grossen kommentierten Gesamtausgabe der Werke Thomas Manns die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull neu aufgelegt worden. Der erste Band enthält das Fragment gebliebene Werk; ein zweiter Band, fast doppelt so dick, enthält den von Thomas Sprecher und ­Monica Bussmann erstellten Kommentar. Der Schelmenroman, den Thomas Mann in seiner Jugend zu schreiben begann und in den letzten Lebens­jahren fortführte, ist fraglos das heiterste, das vergnüglichste von des Schriftstellers Werken. Wer denKrull je las, dem bleiben Kabinettstücke tiefgründig-ironischer Erzählkunst in unverlierbarer Erinnerung. Wer dächte nicht an die Aushebungsszene, in der es Krull gelingt, sich dem verhassten Militärdienst zu entziehen? Wer kennt nicht den kurzen Satz, mit dem Madame Houpflé dem Liftboy Krull ihre Liebesbereitschaft zu erkennen gibt? Und wer spürt nicht den feinen Château Lafitte auf der Zunge, den Krull mit dem Marquis de Venosta trinkt, ­bevor er in die Rolle des Grafen schlüpft?

Da Thomas Mann hoffte, den Roman im Alter fertigzustellen, hat sich in seinem Nachlass zu diesem Werk eine umfangreiche Materialsammlung mit Zeitungsausschnitten, illustrierten Magazinen und Photos erhalten. Dank dem Kommentarband lässt sich nun nachvollziehen, wie der Schriftsteller solche Quellen genutzt und sie in die höhere Realität des Kunstwerks überführt hat. Wir erfahren, dass der rumänische Hochstapler Georges Manulescu, um die Wende zum 20. Jahrhundert Verfasser ­erfolgreicher Memoiren, zum wichtigsten Vorbild für die Figur des Felix Krull wurde; die entsprechenden Informationen entnahm Thomas Mann einer Nummer der Berliner Illustriertenvon 1911. Für die Darstellung der ehrfurchtgebietenden Senhora ­Kuckuck gegen Schluss seines Romans stützte sich der Schriftsteller auf eine Abbildung der Schauspielerin Anna Magnani, und deren Tochter, die lieb­reizende Zouzou, porträtierte er nach dem Photo ­eines Mannequins, das er im amerikanischen Exil in einer Zeitung aufgefunden und aufbewahrt hatte.

Vielfältige Auskünfte vermittelt auch der ­Stellenkommentar zum Text. Interessant sind etwa die Querbezüge zwischen dem Krull und Thomas Manns übrigem Werk, auf die im Anmerkungs­apparat hingewiesen wird. Mit Hanno Buddenbrook teilt Felix Krull die «Begabung zum Schlaf» und mit der Titel­figur des «Josephromans» teilt er das narziss­tische Bewusstsein der eigenen Schönheit. Auch ­seine literarische und musikalische Bildung hat Thomas Mann in seinen Roman einfliessen ­lassen: Häufig sind mehr oder weniger versteckte Anspielungen auf Goethe, Fontane, Schopenhauer, ­Nietzsche und Wagner.

Die neue Edition des Krull erscheint zu dem Zeitpunkt, da Thomas Sprecher die Leitung des Thomas-Mann-Archivs der ETH, dem er zwischen 1994 und 2012 mit Engagement und Sachkenntnis vorstand, abgegeben hat. Er ist promovierter ­Germanist und Jurist; durchaus nachvollziehbar also, dass er sich für eine Hochstaplerfigur wie Krull, die einen recht ­sorglosen Umgang mit den ­Gesetzen pflegt, besonders interessiert hat. Es ist sehr zu hoffen, dass Thomas Sprecher von seiner seltenen Doppelbegabung auch künftig regen ­Gebrauch machen wird.

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