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Not just another Insolvenz

Dass «ocelot» eine Buchhandlung oder eher «not just another book-store», wie der Claim so schön heisst, in Berlin Mitte ist, hat wohl jede und jeder, der sich in den letzten zwei Jahren auch nur am Rand mit der Branche befasst hat, mitbekommen. Nun hat «not just another bookstore» Insolvenz angemeldet. Wie kam es dazu? Die […]

Not just another Insolvenz
André Gstettenhofer, photographiert von Gunnar Gilgen.

Dass «ocelot» eine Buchhandlung oder eher «not just another book-store», wie der Claim so schön heisst, in Berlin Mitte ist, hat wohl jede und jeder, der sich in den letzten zwei Jahren auch nur am Rand mit der Branche befasst hat, mitbekommen. Nun hat «not just another bookstore» Insolvenz angemeldet. Wie kam es dazu?

Die Erfolgschancen waren hoch: Frithjof Klepp, der «ocelot»-Inhaber, ist nicht einfach Buchhändler, sondern Visionär, sein Konzept verbindet erstklassiges Café mit einer unabhängigen Buchhandlung, deren sorgfältig arrangierte Themeninseln das in Online-Shops antrainierte assoziative Kaufverhalten ins Stationäre übersetzen und von da aus wieder zurück ins Digitale wandern, nämlich in einen redaktionell betreuten, aufwendigen Webshop ohne Scheu vor E-Books.

Als «ocelot» 2012 eröffnet wurde, ging ein Raunen durch die Branche, man hätte meinen können, Klepp rette den Buchhandel im Alleingang: die Medienpräsenz war massiv, für eine einzelne Buchhandlung unglaublich. Endlich eine schicke und schlaue Verbindung zwischen analog und digital, so der Tenor, und dann erst noch ein «place to be»: viele wichtige Buchpremieren und
Veranstaltungen fanden dort statt, der Laden zog Kluge, Prominente und Schöne an wie ein Magnet, die Feier zum ersten Geburtstag war rauschend. Nun kommt der kollektive Kater.

Zu hohe Kosten, zu geringe Umsatzentwicklung. Oft genug geht es bei insolventen deutschen Firmen weiter, aber Investoren müssen her. Es fühlt sich trotzdem an wie «Zurück auf Feld eins». Was tun? Auch wenn ein Ozelot per Definition ein nachtaktiver Einzelgänger ist: Es braucht eine Legion von ebensolchen Visionären oder mindestens talentierten Nachahmern, dutzende Konzepte mit dem «ocelot»-Gen.

Die Zukunft der Buchhandlungen liegt in der Verbindung von lokaler Verwurzelung und globaler Neugier, grosser stationärer Erfahrung und hohem Online-Verständnis. Und sie beginnt erst richtig mit «ocelot» 2.0.

 

André Gstettenhofer ist Verleger (Salis) und lebt in Zürich. Seine Kolumne «Digital ist besser» beschäftigt sich an dieser Stelle mit dem Medienwandel im Verlagsgeschäft.

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