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Michael Stauffer, gezeichnet von Beni Merk.

Schlechtes Angebot

Wegen eines schlechten Angebotes habe ich kürzlich die Beherrschung über meine Zunge verloren. Man habe an mich gedacht, da ich so genau nachdenke und beobachte, sagte der Mann am Telefon. Er wolle einen kritischen Beitrag zum Thema Einwanderung oder Zuwanderung oder die Begrenzung davon oder das Humanitäre oder das Wirtschaftliche daran bei mir bestellen. Ich sei ganz frei in der Analyse. Ich stellte dem Mann einige Fragen: Länge des Artikels, Zielpublikum, Abgabedatum, Honorar.

Jetzt begann der gute Mann zu stammeln, leider sei man etwas knapp bei Kasse, aber es wäre ein Beitrag für einen guten Zweck. «Und deshalb für einen schlechten Lohn», unterbrach ich sofort und wollte die Diskussion beenden. Der gute Mann begann jedoch, sich zu rechtfertigen, und erzählte, dass er selber seit 20 Jahren ehrenamtlich für die Reformierte Landeskirche arbeite. Ich sagte ihm, dass ich es hasse, wenn alles immer auf irgendeine Moralscheisse rauslaufe. Und dass mich das langweile, dass es insbesondere bei kirchlichen, politischen und ökologischen Angelegenheiten immer genau so ablaufe. Und es sei doch kein Wunder, dass Meinungen, die man ehrenamtlich formuliere, nichts wert seien.

«Hören Sie», sagte ich zu dem guten Mann, «machen Sie selber ruhig weiter mit Ihrem Ehrenamt. Zwingli hat sicher auch ehrenamtlich reformiert. Leider sehe ich mich selber komplett ausserstande, ehrenamtlich zu arbeiten. Ich will nämlich gar keine Ehre, ich will nur in Ruhe arbeiten. Verstehen Sie! Ehre ist keine Kunst! In Ruhe arbeiten können, das ist Kunst! Adiö.»

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