Sirenen
Immerhin, wir singen noch, haben zu singen
selbst in düsteren dreckigen Zeiten
in denen einige wieder befehlen
allen Sirenen den Mund verbieten
Wahrheiten verfälschen
sie umdrehen und stapeln
zu einem Thron aus Lügen
immerhin, wir klingen noch, haben zu klingen
selbst in düsteren dreckigen Zeiten
in denen einige wieder vergessen
welches Instrument die Lyrik erfand
und wie es seither besingt
was nicht gesagt werden darf
denn die neue Leier ist die alte Leier
dagegen wüten Sirenen – auch schreibend
sind weder Fisch noch Vogel noch Frau
entlassen, was hinter Haaren, unter Zungen
zu lange wucherte:
die neue Gewalt trägt ein Mädchengewand
und ihre Lieder machen den Stoff erträglich
immerhin, wir leben noch, haben zu leben
selbst in düsteren dreckigen Zeiten
in denen einige wieder marschieren
zu falschen Liedern, krummen Ideen
Ton und Wort missbrauchen
zu Tonfarben Wortfarben
in hässlichem Braun und Grau
dagegen färben Sirenen – auch schreibend
malen zehn Finger zu zahllosen Fäusten
die Klaviatur wagt ihren letzten Kampf
hat zu klingen, wie Leid klingen muss
wenn es sonst nichts mehr darf oder kann
ausser schweigen und sterben am Ende
immerhin, wir summen noch, haben zu summen
weil es die Botschaft wortlos mitträgt –
selbst in düstersten dreckigsten Zeiten.