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Noëlle Revaz: «Efina»

Noëlle Revaz: «Efina»

Am Anfang schicken Efina und der Schauspieler namens T ihre Briefe nicht ab. Bald aber wird die Versuchung grösser als die Zurückhaltung, und beide beschliessen, dem anderen ein für alle Mal zu schreiben, dass da nie so etwas wie Liebe zwischen ihnen gewesen sei und auch nie sein würde. Geduldig und bestimmt versichern sie einander […]

Am Anfang schicken Efina und der Schauspieler namens T ihre Briefe nicht ab. Bald aber wird die Versuchung grösser als die Zurückhaltung, und beide beschliessen, dem anderen ein für alle Mal zu schreiben, dass da nie so etwas wie Liebe zwischen ihnen gewesen sei und auch nie sein würde. Geduldig und bestimmt versichern sie einander fortan, dass Liebe zwischen ihnen unmöglich und ihre ­Geschichte damit endgültig zu Ende sei.

Aber so einfach ist die Sache dann natürlich nicht – sonst gäbe es ja auch nichts zu erzählen. Efina und T kommen sich umso näher, je vehementer sie eine frühere Verbindung oder auch nur die Möglichkeit einer solchen abstreiten. So nahe, dass sie sich einen Nachmittag lang ein Hotelzimmer teilen.

Der neue Roman von Noëlle Revaz, benannt nach der Protagonistin Efina, beginnt sehr vielversprechend. Da sind zwei Menschen, die beteuern, sie hätten sich nicht geliebt, aber trotzdem nicht voneinander lassen können. Zwei, die sich einreden, dass da nichts gewesen sei, obwohl da etwas sehr Prägendes gewesen sein muss, über das sie noch immer nicht sprechen und nicht reden können. Oder warum können sie über das Vergangene weder reden noch schreiben? Was könnte so intensiv gewesen sein, dass die zwei Beteiligten eine lebenslange Obsession davontragen?

«Efina» ähnelt in der Veranlagung einem Scherenschnitt: Das Wesentliche wird ausgeschnitten und bleibt doch – als Umriss, als Negativ – erhalten. Anstatt so zu tun, als gäbe es nur eine mögliche Version der Wirklichkeit, nähert sich Noëlle Revaz der Erzählung von Efina und dem Schauspieler T gewissermassen im Ausschlussverfahren. Sie lässt ihre Figuren Versionen durchprobieren: So war es nicht, so ebenfalls nicht und so schon gar nicht… Nicht einmal als sich die Hadernden völlig unvermittelt in einem gemeinsamen Haushalt wiederfinden, ist mit Sicherheit zu beurteilen, ob das nun tatsächlich so geschieht oder ob Efina diese Episode nur ersinnt, um die Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft zu prüfen – und natürlich auch diesmal zu verwerfen. Zunächst legt Noëlle Revaz solche und ähnliche Fährten mit grossem Geschick. Das Spiel mit den subtilen Hinweisen geht irgendwann allerdings so weit, dass sich Relevantes und Nebensächliches nicht mehr unterscheiden lassen. Zum Beispiel wird Efina früh im Buch Mutter eines Sohnes – eine Tatsache, auf die fortan auch indirekt nie wieder Bezug genommen wird und die daher ebenso gut hätte weggelassen werden können. Ähnlich verhält es sich mit mehreren Ausführungen über einen verstorbenen Hund, der weder davor noch danach besonders viel zum Geschehen beiträgt.

So wird die Vagheit der Erzählung zunehmend lästig, immer deutlicher zeichnet sich ab, dass in «Efina» kein einziges Geheimnis gelüftet werden wird. Der Roman stellt mehr Fragen, als er Antworten gibt, und viel von dem, was zuerst bedeutungsvoll wirkt, ist in Wahrheit einfach belanglos. So bleibt das Buch, gerade weil es so meisterhaft angelegt ist, weit hinter seinen Möglichkeiten zurück.


Noëlle Revaz: Efina. Göttingen: Wallstein, 2019. Aus dem Französischen von Andreas Münzner.

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