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Stefan Bachmann: «Die Seltsamen»

Stefan Bachmann:
«Die Seltsamen»

 

Es ist dem Verlag hoch anzurechnen, dass er in der Bewerbung von «Die Seltsamen» das W-Wort gemieden hat. Dass es jetzt doch in nahezu jedem Beitrag zu Stefan Bachmann auftaucht, ist nicht verwunderlich, zu griffig ist diese Beifügung: Wunderkind. Der Schweizamerikaner Bachmann hat diesen Roman mit 16 geschrieben, in den USA wurde das Buch ein Sensationserfolg, im deutschsprachigen Raum beginnt es ebenfalls für Furore zu sorgen. Ein literarisches Wunder? The world’s next Wunderkind (TWNW?)?

Bachmann  phantasiert ein England à la Charles Dickens mit viel Dampf, Russ, Schmutz, Bärten, Zylindern, Wämsen, Vestibülen und langen Korridoren. Steampunkig wird dieses Setting durch ein bisschen Hightech und ganz viel Magie: Bevölkert werden die Städte London und Bath nicht nur von Menschen, sondern auch von Feenwesen, die einen «heiteren Krieg» gegen die Menschen verloren haben und seitdem niedere Dienste in Fabriken ableisten, für das Licht in den Laternen sorgen und unter ihrer Ghettoisierung leiden. Die Mischlinge, die «Seltsamen» genannt, sind allerdings noch schlechter dran, weil sowohl Menschen als auch Feen sie geringschätzen. Der Topos der Ausgrenzung des Fremden/Anderen eröffnet eine weitere Lesart, ohne dass dies den Text dominieren oder gar «politisieren» würde. Oberelf und Justizminister Lickerish, der für ein Feenwesen eine sehr hohe Stellung innehat, möchte mit Hilfe eines Mischlings ein Portal zur alten Welt der Feen herbeizaubern, um Rache an den Menschen zu üben (vielleicht hat er auch andere Absichten?). Nach ein paar Fehlversuchen geraten der kleine Bartholomew und seine Schwester Hettie in den Fokus der Schergen von Lickerish, allen voran eine seltsame Lady in einem pflaumenfarbenen Kleid. Ein anfangs etwas lethargischer Schnösel von Staatsrat mausert sich zum Gegenspieler und springt den Mischlingswesen bei.

Dem TWNW Stefan Bachmann ist es gelungen, seine Phantasie, verschiedene Märchen- und Fantasymotive und etliche Anspielungen auf seine Lieblingslektüren von einer vermutlich dampfbetriebenen Zentrifuge durchrütteln und -schütteln zu lassen: Herausgekommen ist, auch wenn manchen Figuren das Kantige und Kernige fehlt und entscheidende Erzählmomente zu wenig ausgekostet werden, ein spannender Plot. Das mit den Figuren kann sich im nächsten Band ändern, denn «Die Seltsamen» ist – natürlich – auf mehrere Bände angelegt. Ein Pageturner ist schon der erste Band, und das ist in diesem Genre mithin das Wichtigste. W-Wort hin, W-Wort her.

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