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Dana Grigorcea:
«Baba Rada. Das Leben ist vergänglich wie die Kopfhaare»

 

Unter dem Zwergnussbaum ist die Zeit stehengeblieben. Baba Rada  liest das böse Schicksal aus den Karten, der tote Antim verkriecht sich in die Baumhöhlung, Ileana verlobt sich – und der alte Rotbart steckt schliesslich den Kopf ins Schilf. In ihrem Debütroman «Baba Rada» lässt Dana Grigorcea ihre Figuren in einem Erzählraum agieren, dessen Horizonte im gleissenden Sommerlicht oder bei eisiger Kälte ausbleichen. Das rumänische Donaudelta, wo ihr Buch spielt, ist eine entlegene Gegend, in der eigene Gesetze zu gelten scheinen. Im kleinen Dorf hält die rüstige Baba Rada ihre Familie zusammen. Sie wünscht sich das Glück ihrer Albino-Tochter mit Mirabellenschnaps und Magie herbei – und doch bringt ein mysteriöser Terrorist letztlich alles durcheinander.

Dana Grigorceas Roman ist ein veritables Schelmenstück, das sich nur schwer greifen lässt und immer wieder neue Geschichten bereithält. Die «herrliche Barbarei» präsentiert sich als eine wilde Mischung aus Mären, Gerüchten, Schurkereien und einer ärmlichen Derbheit, die das neue Glück der Welt nur vom Hörensagen kennt. Auf der Donauinsel stockt das Leben, die Gebisse der Bewohner sind schlecht und wer kann, verschwindet von hier. Dennoch bewahren sich die Zurückgebliebenen ihren Willen und ihren Witz, indem sie trotzige Lieder singen, die Titel tragen wie «Das Leben ist vergänglich wie die Kopfhaare».

Was dieses Buch zum Ereignis macht, ist Dana Grigorceas eigenwillige Handschrift. In Rumänien zweisprachig aufgewachsen und heute in Zürich lebend, gelingt der Autorin eine irrlichternde Prosa, die alles in phantastisches Zwielicht taucht, das einzig durch die Sprache schemenhafte Umrisse erhält. Mit langen Überschriften, die an Barockliteratur erinnern, erzeugt sie einen erzählerischen Hallraum, in dem sich die Handlung fortlaufend verschachtelt und verunklärt. Gerade so gewinnt «Baba Rada» eine verfremdende Bildhaftigkeit, die burleske Komik mit irrlichternder Präzision und einem Quentchen Tragik paart. Die Flunkergeschichten steigen daraus auf wie Baba Radas Rülpser, wenn sie «dieses russische alkoholhaltige Shampoo getrunken» hat.

Dana Grigorcea: Baba Rada. Das Leben ist vergänglich wie die Kopfhaare. Zürich: KaMeRu, 2011.

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