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Brief aus dem Tessin (sette)

Diesen Sommer stiess ich auf einen kurzen Roman des Tessiner Autors Fabio Andina mit dem Titel «Uscirne fuori» (zu Deutsch etwa «Da wieder rauskommen»), der im umtriebigen Verlag ADV in Lugano erschienen ist. Es geht um einen Mann, der innerhalb weniger Tage von seiner Frau verlassen wird und plötzlich um das Recht kämpfen muss, seinen […]

Diesen Sommer stiess ich auf einen kurzen Roman des Tessiner Autors Fabio Andina mit dem Titel «Uscirne fuori» (zu Deutsch etwa «Da wieder rauskommen»), der im umtriebigen Verlag ADV in Lugano erschienen ist. Es geht um einen Mann, der innerhalb weniger Tage von seiner Frau verlassen wird und plötzlich um das Recht kämpfen muss, seinen sieben- oder achtjährigen Sohn sehen zu dürfen.

Das klingt nach einem ziemlich abgedroschenen Setting. Aber Andina, der 1972 im Tessin geboren wurde und während seines Studiums in San Francisco den Beatnik Lawrence Ferlinghetti kennenlernte, gestaltet die Geschichte in einem schlicht-saloppen Stil, der trotzdem unvergleichlich ist: wir haben es mit einer Art ständiger direkter Rede zu tun, die an Romane Kerouacs oder Burroughs’ erinnern (und auch ein bisschen an Bukowski und Mordecai Richler). Dank witziger Bemerkungen und jeder Menge Sarkasmus, aber auch zutiefst lyrischer Momente ist das Buch eine sehr lesenswerte, frische, ehrliche und originelle Lektüre. Eine echte Entdeckung.

«Ab Juli 2014 erscheint jeden Monat eine neue Erzählung in einer günstigen Taschenbuchausgabe […], konzipiert und vertrieben von ANAedizioni, dem kleinen Verlag von Franco Lafranca in Locarno […]. Für die Umschläge malt der junge, auch in der Street-Art-Szene aktive Künstler Gabriele Zeller kleine Ölgemälde, die die jeweilige Erzählung synthetisieren», heisst es auf der Website von ANAedizioni. Im Juni 2016 erschien in diesem mutigen, verlegerischen Tessiner Pionierprojekt eine grossartige Erzählung des Tessiner Dozenten und Journalisten Luca Dattrino. Sie trägt den wunderbaren Titel «Nostalgia e dintorni» (dt. «Nostalgie und Umgebung») und ist ein wahres Kurzprosa-Bijou mit Anklängen an Carver oder Munro. Es geht um Kindheitserinnerungen, um die verblassenden Erinnerungen, die aus uns das machen, was wir sind – und vielleicht doch oft lieber nicht wären.


Andrea Bianchetti
ist Dichter und arbeitet als Kritiker für RSI (Rete Due). Er ist auch Redaktor der Literaturzeitschrift «Cenobio» und lehrt Italienische Literatur an verschiedenen Tessiner Gymnasien. Aus dem Italienischen übersetzt von Barbara Sauser.

 

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