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Brief aus der Romandie (dix-sept)

Heugabeln, Heckenscheren, Ballenpresse, Kummet, Traktor, Balkenmäher, Kartoffelernter und Melkschemel: Am Vormittag kommt das landwirtschaftliche Gerät unter den Hammer, am Nachmittag ist die Reihe am Viehbestand. Bauer Jean Grosjean ist im Konkurs; am Tag der Zwangsversteigerung verliert er alles, was er noch hat – seine Frau ist längst weg und mit den Kindern nach Kanada ausgewandert. Grosjean ist am Ende, am Abend will er sich erschiessen. Können die schöne Verkaufsassistentin Irina oder sein letztes Pferd dieses Vorhaben noch abwenden?
Jean-Pierre Rochats Roman «Petite Brume» (Éditions d’autre part), erzählt als fulminanter Monolog dieses Bauern-Hiobs, wurde zum «Roman des Romands» 2018/19 erkoren. Wie immer bildeten Schülerinnen und Schüler, diesmal aus acht Kantonen, die Jury. Zum zehnten Geburtstag des Preises ist zudem ein Sammelband mit Kurztexten aller bisher nominierten Autorinnen und Autoren erschienen. Zwanzig der in «Quand j’avais 17 ans…» vereinten Beiträge wurden im Westschweizer Radio RTS gesendet und sind auf dessen Internetseite nachzuhören.
Wer Gabriella Zalapìs Roman «Antonia» (Zoé) öffnet, sieht als erstes ein Pferd: Auf einer Schwarzweissfotografie reitet eine Frau im Damensitz, während ein Mann das ungestüme Tier, das die Vorderhufe in die Luft wirft, festzuhalten versucht. Diesmal sind wir weder in der Schweiz noch im Bauernmilieu: Der Roman präsentiert sich als Tagebuch, geführt von einer jungen Frau in Palermo von Februar 1965 bis November 1966. Die Mutter eines kleinen Jungen droht im goldenen Käfig eines grossbürgerlichen Haushalts zu ersticken. Sie liebt ihren Mann nicht mehr und fühlt sich von ihrem Sohn entfremdet. Anhand von Briefen, Dokumenten und Fotografien ihrer beiden Grossmütter taucht sie in eine bewegte, österreichisch-jüdische und englisch-sizilianische Familiengeschichte ein. Am Schluss trifft Antonia eine radikale Entscheidung; das letzte Bild zeigt ein kleines Mädchen, das im Garten auf ein Schaukelpferd klettert.

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