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Arno Camenisch: «Fred und Franz»

Arno Camenisch:
«Fred und Franz»

 

Zwei verbrüderte Zwiegespräche zwischen zwei verschrobenen Gesellen lässt Arno Camenisch auf seine preisgekrönte Bündner Trilogie folgen: «Las flurs dil di» erschien im März auf Sursilvan, Ende Mai folgte «Fred und Franz» auf Deutsch. Der ununterbrochene Dialogfluss, die absonderliche Grundstimmung sowie die beiden verschmitzt-tragischen Figuren sind beiden Büchern gemeinsam; der Erzählrhythmus, die narrative Feinarbeit sowie die sprachliche Ausgestaltung sind jeweils eigenständig.

Ein symbiotischer Dialog

Im Zoo, im Auto, in der Sauna, im Café, im Gefängnis: An zwei Dutzend Orten lässt Camenisch Fred und Franz über existenzielle Fragen um Frauen, Liebe, Tod und Menschsein palavern. Der rothaarige Franz im blauen Überkleid ist ein Draufgänger, der gern Details seiner amourösen Eskapaden zum besten gibt. Fred mit seiner grünen Kappe und der alten Skijacke kreist sehnsüchtig in Erinnerungen an seine Verflossene. Figuren und Konstellation mögen stereotyp anmuten, Camenisch aber vermeidet die Eindimensionalität: Der Frauenheld kennt auch Ängste, Zweifel und Verzweiflung. Und der introvertierte Melancholiker findet am Schluss den Ausgang aus dem Teufelskreis seiner Erinnerungssucht.

In ihren unaufhörlichen Fragen und Gegenfragen manifestiert sich eine existentielle und symbiotische Beziehung, die an das zutiefst dialogische Dasein des Menschen gemahnt. Ohne Gegenüber, ohne Zwiegespräch fehlten die Reflexionsfläche für die eigene Lebensgeschichte sowie der Ansporn, diese zu erzählen und fortzuschreiben. Die stilisierten Dialoge verbergen hinter der ungeschminkten, knappen Sprache urmenschliche Erfahrungen: «Die grosse Kunst des Lebens ist der Tod, sagt der Fred.»

Ein skurriles Setting

Neben Franz und Fred erscheinen noch andere Figuren in diesem Buch. Und sie verschwinden nicht selten, ohne richtig wahrgenommen zu werden: ein alter Mann mit Hörrohr, ein Mann mit einem Pelzmantel und einer Lederhandtasche, eine alte Frau mit dicker Brille in einem VW Käfer. Sie kommen scheinbar aus einer anderen Welt, sind bei genauerem Hinsehen aber nicht selten augenzwinkernde Zitate aus Camenischs vorherigen Werken. Neu sind in seinem aktuellen Wurf die skurrilen, fast bizarren Geschehnisse am Rand der vergleichsweise plausiblen Dialoge: unbemerkt fliegt da etwa ein Vogel gegen eine Fensterscheibe, dreht eine Uhr verkehrt rum, fährt ein Auto gegen einen Baum, hackt ein Nackter Holz, sitzt eine Frau auf einer Wiese in einer Badewanne.

Brachial-poetische Metaphern

Jenseits solcher Stilmittel liegt aber die Besonderheit von Arno Camenischs literarischem Schreiben auch hier wieder in seiner originellen Sprache. Herauszugreifen sind hier drei ihrer Qualitäten: Ein aufmerksames, offenes Ohr für die gesprochene Sprache – ob Rätoromanisch oder Schweizerdeutsch. Eine schöpferische Arbeit, die Elemente der gesprochenen Sprache absolut organisch zu einem extrem konstruierten und orchestrierten Text verwebt. Und ein feines Gespür für Rhythmus, Komik, Sprachspiel und Metaphorik.

Aus dem gesprochenen Rätoromanischen stammen nicht nur einzelne Wörter und Ausdrucksweisen, sondern auch sperrige syntaktische Konstruktionen («Seit Wochen, dass du im Kreis fährst.») und sprechende Redewendungen («alt wie Brot und Milch»). Die künstlerische Sprachmischung – im rätoromanischen Text noch deutlich wilder als im deutschen – lässt trotz erkennbarer literarischer Konstruktion den Eindruck entstehen, man lese authentisch gesprochene Sprache. Auffällig sind die zahlreichen brachialen und doch sehr poetischen Metaphern, die gut in den Mund der damit charakterisierten Figuren passen: «Ich habe geschlafen wie ein Brecheisen, sagt der Franz.» «Sie roch wie eine Felswand nach einem Gewitter.» «Das Herz wird dir schwer wie ein alter, nasser Bodenlumpen.» – Süffig ist das, leichtverdaulich. Aber vor allen Dingen lesenswert.

Arno Camenisch: Fred und Franz. Solothurn: Edition Engeler, 2013.

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