«Herr Mezger, wenn ich es recht verstehe, geht es in Ihrem Text um…»
Wer ist eigentlich dieser ältere Herr (so alt auch wieder nicht), der nun aufsteht (Ende fünfzig?), der kurz zum Moderator nickt (nein, darüber) und sich räuspert. Er ist immer da, kommt an jede meiner Lesungen und nicht nur an die, auch bei Kollegen tauchen er und sein Sakko mit den Ellbogenschonern auf. Er setzt an, wie er immer ansetzt: «In Ihrem Buch schreiben Sie ja…» Er fasst den Roman zusammen (korrekt). Er sagt, an welche Autoren ihn das erinnere (Scheisse, keinen davon gelesen!), er sagt, dass man da durchaus gewisse Momente vergleichen könne (schön), wobei mein Buch natürlich kein Vergleich sei (schade). Ich versuche aufzupassen, wann nun die Frage einsetzt (soll ich heute patzig antworten oder klug?), er beschreibt, wie der Stil sei und dass er in dem einen Satz gipfle (gleich holt er das Buch heraus), er zitiere den gerne einmal (er holt das Buch heraus), Moment kurz (Lesezeichen im Buch), ah, da (mehrere!), er liest den Satz vor, der Satz lautet: «Und dann gingen sie los.» (Ich hätte ihn streichen sollen.) Er lobt den Satz. (Na ja, so schlecht ist er auch wieder nicht.) Irgendwann biegt er auf die Zielgerade ein. (Wer hat eigentlich den Schwachsinn erfunden, dass Frauen viel reden würden? Nur Männer halten solche Monologe.) Er ist beim eigentlichen Thema des Romans angelangt (ich sollte mal eine Kolumne gegen Themen schreiben), das er nochmals kurz umreisst (Themen sind das Zweitüberbewertetste in der Literatur), er umreisst es noch etwas länger (direkt nach der Orthographie). Und endlich ist er so weit:
«Kann man sagen, dass es in Ihrem Roman um … geht?»
Sicherheitshalber wiederholt er noch einmal, worum es in meinem Roman gehe, ich entspanne mich (also: klug oder patzig?), halte den kurzen Moment der Zusammenfassung aus (oder eine schnelle Pointe?), dann ist er durch, dann schaut er in die Runde, dann setzt er sich lächelnd. Ich lächle auch, ich beuge mich zum Mikro, ich würfle innerlich, ich antworte:
Nein.