Mann mit Hut
Nebenjob #4
Wann wird ein Schreibender zum «Schriftsteller»? Seit ich schreibe, wage ich nicht, mir diesen Hut aufzusetzen. Was fehlt mir zum Schriftsteller? Per definitionem bin ichʼs. Aber es gibt auch «gefühlte Definitionen». Ausserdem. Wenn ich mich Schriftsteller nenne, welches Wort bliebe mir dann für Robert Musil? Schreibende, die ich gedankenlos Schriftsteller nenne, sind ausnahmslos gute Schriftsteller. Schriftsteller, die ich bewundere, studiere und wieder und wieder lese.
Ein Schriftsteller ist einer, der mit Haut und Haar aus Leben, Denken und Schreiben besteht. Jeder prosaische Broterwerb zerbeult dieses Dreieck, denn Schriftsteller verwandeln ihre Lebenszeit in Schrift. Ich verwandle meine Lebenszeit in Geld, in Monatslöhne. In Schrift verwandle ich meine Freizeit, falls was übrigbleibt davon. Kurz: ein Freizeitautor, ein Sonntagsschreiber bin ich. Den «Schriftsteller»-Hut kann ich mir beim besten Willen nicht aufsetzen, und je mehr ich darauf hinarbeite, desto grösser mein Respekt vor Schriftstellern, desto grösser dieser Hut und desto kleiner mein Kopf.
Aber vielleicht – sag ich mir – sind Schriftsteller mit Hüten Geschichte. Und litt nicht schon Kafka am zerbeulten Dreieck? Ging nicht auch er einem prosaischen Broterwerb nach? Der Haken dieser Argumentation: sobald man sich mit Franz Kafka messen muss, sollte man besser auch aufhören, sich «Freizeitautor» zu nennen. Vermutlich ist das dann der Moment, wo sich Schreibende einen Hut kaufen. Oder eine Brechtmütze. Die gefühlte Definition eines Schriftstellers schlechthin. Funktioniert sogar, denn Schreibende gibt’s wie Sand am Meer. Warum sollte der Literaturbetrieb da ausgerechnet jene lieben, die mit leerem Kopf posieren? Billiger ist es natürlich, sich an die Lexikondefinition zu halten. «Schriftsteller sind Urheber und Verfasser literarischer Texte.» Punkt. Eigentlich ja ein alter Hut!