Peter Z. Herzog & Florian Vetsch:
«Sapphische Flaschenpost»
Begonnen hat alles mit leeren Shampoo-Flaschen in den Abfallcontainern vor einem Hammam in Paris. Über 300 davon hat der in Zürich wohnende Künstler Peter Z. Herzog während eines Atelieraufenthalts gesammelt. Das 350-seitige Buch «Sapphische Flaschenpost» breitet diese regenbogenfarbene Duschmittelkollektion, versehen mit neuen phantasievollen Markennamen, opulent vor den Lesern aus.
Herzogs Shampoo-Flaschen heissen nun beispielsweise «étrange. Viel Durchgemacht» oder «intuitive. Silzenium Om». Auch Produkte wie «aquatique. The Beholder’s Share» oder, besonders neckisch, «polarisée. Emma Facekini» laden zum Bad. Absurd? Gewiss, doch schäumend und vielerorts witzig. Ein willkommener Anlass, unser Hygieneverständnis unter die Lupe zu nehmen. Herzogs Duschmittel mit ihren realen oder fiktiven Labels führen, ebenso wie die Bildcollagen auf den Etiketten, mitten in Fragen zu Körperpflege und Identität, Vergänglichkeit und Bleibendem, Schönheit und Eros.
Angeregt von Herzogs verfremdeten Shampoo-Flaschen hat der St. Galler Lyriker Florian Vetsch 101 Sapphische Odenstrophen verfasst. «Als ich Peter Z. Herzogs Schaumdosen sah», schreibt er im Nachwort, «drückte mir Sappho das Plektron in die Hand.» Nach der griechischen Dichterin Sappho, die um 600 v. Chr. lebte, ist ein bis heute geläufiges Versmass benannt. Vetsch hat es neu belebt, und die von ihm angeschlagenen Saiten klingen etwa so: «So will Sappho ihren Kentaur: Er schwitzt & / Schnaubt, die Venen prall, die Gelenke sehnig / Prescht er über Thrakiens Hügel, verhofft im / Schatten der Pappeln.»
Liebesgedichte, erotische Gedichte – ja, aber mit moussierendem Zusatz. «Leben / Keimt in der Feuchte», heisst es an einer Stelle, und das Shampoo daneben trägt sinnigerweise die Bezeichnung «radicale. Denn Ausserdem». Vetschs sapphische Vierzeiler beziehen ihren Reiz nicht zuletzt aus derartigen Gegenüberstellungen. Diverse Gedichte nehmen Bezug auf Aktuelles, auf 9/11, auf Kochkünste, wachsende «PET-Flaschen-Halden» (auch Plastik hat Ewigkeitscharakter!) und die Ödnis von Siedlungen, in denen «die Witwenstelze erschaudert».
«Vom entsetzlich aufschäumenden Eros» heisst der Untertitel des Buches. Tatsächlich schäumen hier Duschgel und Eros, Dichtung und Bildsprache. Als Dritten im Bunde und Schutzherrn der Schäume darf man sich Peter Sloterdijk vorstellen. «We are such stuff the foams are made on», schreibt er mit Blick auf Shakespeare in seinem monumentalen «Sphären»-Werk. Florian Vetschs revitalisierte sapphische Odenstrophen sind jedenfalls vom gleichen perlenden Gleiten der Signifikanten durchwirkt, das den Betrachter auch durch Peter Z. Herzogs Illuminarium der Schaumzonen begleitet.
Peter Z. Herzog & Florian Vetsch: Sapphische Flaschenpost. Vom entsetzlich aufschäumenden Eros. St. Gallen: Vexer, 2016.