Verlockender Logos
Logos! Schon mal gehört, oder? Der altgriechische Begriff kann von «Wort» bis «Rede», von «Vernunft» bis «Gesamtsinn der Wirklichkeit» vieles heissen. Ähnlich zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten liess Volker Oppmann vor gut zwei Jahren bei den ersten Präsentationen seiner Vision für die digitale Zukunft der Bücher – namens Log.os – zu. Schon damals existierten für sein Projekt viele […]
Logos! Schon mal gehört, oder? Der altgriechische Begriff kann von «Wort» bis «Rede», von «Vernunft» bis «Gesamtsinn der Wirklichkeit» vieles heissen. Ähnlich zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten liess Volker Oppmann vor gut zwei Jahren bei den ersten Präsentationen seiner Vision für die digitale Zukunft der Bücher – namens Log.os – zu. Schon damals existierten für sein Projekt viele brillant klingende Ideen – deren konkrete Umsetzung aber war vage.
Zwei Jahre sind im digitalen Zeitalter eine Ewigkeit, und nun, Anfang August, konnte Oppmann kurzfristig (und mit grosser Hilfe des SBVV) den neuesten Stand von Log.os einer illustren Gruppe von interessierten Schweizern vorstellen. Ich war dabei. Und die Teilnahme hat sich gelohnt: Die Vision hat deutlich an Klarheit und an notwendigem Startkapital gewonnen, Log.os wird nun als Betaversion bereits zur Frankfurter Buchmesse gestartet: als Universalbibliothek, Marktplatz und Leseraum in Form eines sozialen Netzwerks. Ob Verlag, der Bücher bekanntmacht, Buchhandlung, die empfiehlt, oder Leser, der entdecken will: Log.os lässt alle auf Augenhöhe miteinander kommunizieren. Zitate aus Büchern dienen als Statusmeldungen und sind gleichzeitig Links zu Leseproben. Die Reader-Software für E-Books ist inbegriffen, ein einfach zu bedienender Shop auch. Ein cleveres System sorgt für Ordnung zwischen privaten Buchnotizen und öffentlichen Posts. Die Privatsphäre steht an vorderster Stelle, und Log.os will schliesslich auch dem Gemeinwohl dienen.
Als zukünftiger User stelle ich mir das wunderbar vor: eine digitale Welt nur mit angenehmen Buchmenschen, feingeistigen gebildeten Wesen, ohne Crétins und Ignoranten. Unter seinesgleichen schüfe man sich mit Log.os einen neuen literarischen Gesamtsinn der digitalen Wirklichkeit. Doch selbstverständlich sorgen Bücher von E.L. James oder Paolo Coelho dafür, dass die Leser unterschiedliche Auffassungen von «Literatur» haben – und Log.os, obschon verlockend, kein Elfenbeinturm werden wird.
André Gstettenhofer ist Verleger (Salis) und lebt in Zürich. Seine Kolumne «Digital ist besser» beschäftigt sich an dieser Stelle mit dem Medienwandel im Verlagsgeschäft.