Wir brauchen Ihre Unterstützung — Jetzt Mitglied werden! Weitere Infos

«Wer möchten Sie sein?»

Wer möchte ich sein? Will ich vom Schreiben leben können?

«Wer möchten Sie sein?»
Mireille Zindel, fotografiert von Oksana Bernold.

Gehen wir davon aus: Ein Künstler arbeitet in erster Linie nicht für den Erfolg. Der grösste Antrieb eines Künstlers ist sein Ausdrucksbedürfnis. Man schreibt um der Sache willen. Man schreibt kein Produkt für den Markt. Diese ganze Kolumne ist ein Beispiel für die Perversion, in der wir drinstecken. Aber da gibt es eben noch das Hin- und Hergerissensein zwischen dem Bedürfnis nach Selbstentäusserung und einem simplen, puren, ja: Ehrgeiz.

Und schon fragt man sich: Wer möchte ich sein? Will ich vom Schreiben leben können? Dann könnten John Grisham, Johannes Mario Simmel oder Rosamunde Pilcher als Vorbild dienen. Autoren, die mit ihrer Arbeit Geld verdienen möchten, sind Produzenten, die einen Markt bedienen. Sie müssen genau wissen, welches die Bedürfnisse der Leute sind, was man mit ihrem Namen verbindet. John Grisham muss einfach Thriller schreiben. Stephen King Horror-Storys produzieren. Da steht das Produkt im Vordergrund. Dann gibt es noch das Image, die Person, die interessant sein kann. Stephen King ist ein Sonderling, aber das ist auch ein Image.

Aber dann hat man natürlich noch die Zufälle. Rosamunde Pilcher hat zunächst als Jane Fraser Kurzgeschichten geschrieben, erst mit über sechzig wurde sie berühmt. Oder J. K. Rowling mit Harry Potter – zuerst wollte das niemand. Es braucht einen Zustand von Glück. Zum Glück gehört Glück. Den Zufallsfaktor bringt man nie weg. Es gibt kein Rezept für einen Bestseller. Man kann versuchen, die Strategie zu fahren: Ich bin möglichst hässlich, dann bin ich der Mister Houellebecq, aber dann sagen die Leute vielleicht: Mit dem will ich nichts zu tun haben, der riecht schlecht. Die Wahrheit, die vermutlich für jede Marketingsache gilt, ist, dass man ein Produkt nicht machen kann. Ausserdem verbraucht man unglaublich viel Zeit damit, es zu versuchen. Man könnte also sagen: Am besten bleibst du der, der du bist, machst das, was du machst, möglichst gut und findest deine Erfüllung darin. Vom Schreiben leben können ist keine Entscheidung, und schon gar nicht deine.


Lesen Sie auch «Bald wärmer», die Kurzgeschichte von Mireille Zindel, aus dem aktuellen «Schweizer Monat»!

»
Abonnieren Sie unsere
kostenlosen Newsletter!