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Alex Capus: «Das Leben ist gut»

Alex Capus:
«Das Leben ist gut»

 

«Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt» – dieses Lied singen heute nur noch wenige Literaten. Vergangen sind die Zeiten, in denen windstossvergnügte Taugenichtse auf Tour in Richtung Glück geschickt wurden, denn wo immer dieses auch zu finden sein mag: Ryan Air fliegt dreimal täglich hin, Google hat die Vermarktungsrechte – und YouTube bewahrt Versionen dieses Liedes auf, die den Sängern die Lust darauf vergällen. Wo die Welt so durchdringend entzaubert ist, gilt umso mehr: Interessanter als die grossen Sprünge in die Fremde sind die kleinen Stolperer in trauter Umgebung.

Auch Alex Capus weiss das. Und auch er singt ein anderes Lied. Darum bleibt er in seinem neuen Roman «Das Leben ist gut» fast durchgehend bei der begrenzten Schweizer Welt am Südfuss des Jura und erschafft mit dem Nesthocker und Kneipenwirt Max einen Ich-Erzähler, der sich diverse sympathische Spleens erlauben kann, trotzdem aber daheim geblieben ist, abgesichert im Netzwerk alter Freundschaften und in einer glücklichen Familie. Seine Ehefrau Tina und die drei selbständigen Teenagersöhne sorgen für ein saturiertes Leben und Bodenhaftung: um nicht gesagt zu haben, für bürgerliches Rückgrat.

«Das Leben ist gut» beginnt mit einem Stolperer, der dieses Rückgrat zwar nicht bricht, dafür aber doch einige Wirbel verschiebt: Tina tritt eine einjährige Gastprofessur an der Sorbonne an und wird nur noch am Wochenende zu Hause sein. Für Max, der seine «Sevilla-Bar» im Bahnhofsviertel immer ohne Hilfe betrieb, ändert sich dadurch so gut wie nichts – trotzdem sind die ersten vier Tage der Trennung, der Rahmen des Romans, erzählenswert. Im alltäglichen Trott beginnt Max sein Leben zu hinterfragen. Er befindet sich plötzlich auf der Suche nach etwas, das er lange Zeit weder gebraucht noch vermisst hatte: sein männliches Selbstverständnis, denn die Söhne suchen weder Rat noch Hilfe bei ihm, und Tina braucht ihn nur, um sie aus der Ferne an den Wetterbericht zu erinnern, damit sie nicht in Ballerinas über verregnete Pariser Boulevards spaziert. Distanziert und teilweise kopfschüttelnd erkennt Max, dass er kein Beschützer ist, kein Jäger und Sammler, weder Macher noch Macker. Aber was ist er dann?

Im sanft, aber nicht träge mäandrierenden Handlungsfluss der täglichen Pflichten, der alten und neuen Freundschaften sowie der kleinen Eskapaden (einer Autofahrt ins deutsche Mannheim) zeigt Capus, wie Max sein maskulines Ego justiert: was nicht passt, wird passend gemacht. Bei dieser Nachrüstung spielt der Autor ironisch mit diversen Klischees, gleitet aber nie in den Kitsch ab: Der generalüberholte Max-Mann ist noch immer kein Globetrotter, Matador, Alligatorenkämpfer, Drogendealer oder Waffennarr – alles ganz bewusst gewählte Beispiele für «kernige Kerle» oder «Nicht-Maxe», die dem Rezensenten aus nicht näher auszuführenden Gründen einfallen. Mehr sei hier nicht verraten. Nur noch eins: Max bleibt auch in dieser Liga vergleichsweise immer ein Mäxchen, und so kann Capus seinen Lesern breitbereifte Motorräder und langbeinige Blondinen, Kneipenkrawall und Therapieklamauk ersparen.

«Das Leben ist gut» handelt von einem leidlich zufriedenen, leidlich maskulinen Ich-Erzähler und bietet ein entspanntes, amüsantes Lesevergnügen. Was davon bleibt? Eine Erinnerung (an deutsche Leser), dass die Schweiz das europäische Land ist, bei dem man zur Einreise den Zoll passieren muss, und dass «Hassloch» (bei Mannheim) ein wirklich blöder Ortsname ist.

Alex Capus: Das Leben ist gut. Roman. München: dtv-Verlag, 2016.

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