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Brief aus dem Tessin (quattordici)

Wie wir alle habe auch ich manchmal Tage vor mir, die aus lauter Geraden bestehen. Termine, Abgabefristen, Dinge, die erledigt werden müssen, Fahrten von A nach B. Doch ab und zu halte ich inne, entziehe mich dem Strom und mache einen «unnötigen» Schlenker. Setze mich in den Sessel, schlage ein Buch auf – und lese. […]

Wie wir alle habe auch ich manchmal Tage vor mir, die aus lauter Geraden bestehen. Termine, Abgabefristen, Dinge, die erledigt werden müssen, Fahrten von A nach B. Doch ab und zu halte ich inne, entziehe mich dem Strom und mache einen «unnötigen» Schlenker. Setze mich in den Sessel, schlage ein Buch auf – und lese.

Im Februar zum Beispiel «Tra dove piove e non piove» («Quasi Heimweh», Rodana-Verlag, 1970) von Anna Felder, die dieses Jahr mit dem Schweizer Grand Prix Literatur ausgezeichnet worden ist. Der fast fünfzig Jahre alte Roman, auf Italienisch 1972 bei Pedrazzini und 2015 in einer Neuauflage bei Dadò erschienen, überzeugt auch heute noch durch seine psychologische Präzision und die greifbaren Stimmungen. Mein nächster Umweg führte über Fabiano Alborghettis mit dem Schweizer Literaturpreis 2018 ausgezeichneten Versroman «Maiser» (Marcos y Marcos): ein persönliches Werk und zugleich eine universelle Geschichte, die die Gefühle der Nostalgie und der Zuge­hörigkeit ergründet.
Dem Mai verdankt das Tessin besonders viele Lektüreanregungen: Am Festival ChiassoLetteraria befassten sich Autorinnen und Autoren wie Dany Laferrière, Jan Brokken, Alberto Nessi, Milo De Angelis und Burhan Sönmez mit dem Thema «Tabu». Die Krimifans strömten nach Massagno zur 14. Ausgabe des Festivals Tutti i colori del giallo, dieses Jahr mit den Autoren Giampaolo Simi, Ian Manook und Roberto Costantini. Und der Verleger Mauro Valsangiacomo stellte in Lugano die Anthologie «Non era soltanto passione» (Alla Chiara Fonte) vor, die in den 1980er Jahren geborene Tessiner Lyriker versammelt. Vertreten sind etwa Yari Bernasconi, Autor von «Nuovi giorni di polvere» (Casagrande), Andrea Bianchetti («Estreme visioni di bianco», Alla Chiara Fonte), Laura di Corcia («Epica dello spreco», Dot.com Press), der Musiker, Komponist und Performancekünstler Marko Miladinovic sowie Pietro Montorfani, Autor von «Di là non ancora» (Moretti) und Leiter der Literaturzeitschrift «Cenobio». Ein Hoch auf den Schlenker!

Andrea Fazioli
ist Schriftsteller. Seine Serie um den Privatdetektiv Elia Contini wird auf Deutsch im btb-Verlag publiziert. Im Juni 2018 erschien sein Erzählband «Succede sempre qualcosa» (Casagrande). Fazioli lebt in Bellinzona.

 


Aus dem Italienischen übersetzt von Barbara Sauser.

 

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