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Catalin Dorian Florescu: «Der Mann, der das Glück bringt»

Catalin Dorian Florescu:
«Der Mann, der das Glück bringt»

 

Die Sehnsucht nach einem besseren Leben und der innige Wunsch nach Liebe und Glück – vielleicht ist das immer schon sein Hauptthema gewesen. Und das Niemalsaufgeben, das Weiterkämpfen, auch in bitterer Hoffnungslosigkeit. Der 1967 im rumänischen Timisoara geborene Zürcher Autor Catalin Dorian Florescu, beileibe kein Unbekannter mehr und mit zahlreichen Auszeichnungen gesegnet, hat sich seit «Wunderzeit» (2001) an diesem Thema versucht. Manches aus seinem sechsten Roman «Der Mann, der das Glück bringt» glaubt man bereits zu kennen, das magische Universum des Donaudeltas zum Beispiel und dessen von Unterentwicklung und Armut geplagte Bewohner, die sich von dort wegsehnen und alles zu geben bereit sind, um ihrem Glück näherzukommen. Und doch ist dieser Roman anders als «Zaira» (2008) oder «Jacob beschliesst zu lieben» (2011). Reicher an Abenteuern und Grausamkeiten, opulenter, weltumspannender – «grosses Kino», wie ein Frankfurter Rezensent zu Recht bemerkt.

Der bitterarme kleine Zeitungsjunge im eisig kalten New York des Jahres 1899, der sich später als Grossvater des Erzählers Ray entpuppt, träumt davon, Sänger zu werden in einem der Vaudeville-Theater Manhattans – wie schön wäre es, ein Mann zu werden, der das Glück bringt! Doch erst einmal muss er am Leben bleiben, «down and out», und das ganz allein in der riesigen und gnadenlosen Metropole. Vom gelobten Land Amerika hat man auch an der Donaumündung schon gehört, in einem Landstrich, der «wie aus der Zeit gefallen schien, immer gleich und gleichgültig gegenüber der Aussenwelt, unveränderlich, seitdem Gott sie erschaffen hatte» – einer Gegend voller Fischer und Sonderlinge, wo die Frauen Elena heissen und man dem «Necuratul», dem Unsauberen, sprich: dem Teufel, noch näher ist als am East River. Gekonnt verwebt Florescu, immer enger und immer aufregender, einen amerikanischen und einen rumänischen Erzählstrang. Die Geschichte dreier Emigranten- oder Fast-Emigranten-Generationen wird von den Enkeln erzählt, von Ray und Elena, die sich zufällig am 11. September 2001 in New York treffen, wo Elena die Asche ihrer toten Mutter verstreuen soll.

Asche, und das an 9/11! Geht’s noch symbolträchtiger? Man hat diesem Autor immer mal wieder seinen Hang zu barock anmutendem, bisweilen die Kitschgrenze streifendem Überfluss an Szenen und Motiven vorgeworfen – nichts abwegiger als das! Im «Mann, der das Glück bringt» haben alle Details ihren höheren Sinn. Die bunte Fülle des Erzählten, so traurig manche Details immer wieder stimmen können – genau sie sorgt dafür, dass der Leser am Ende beglückt erkennen wird, eine literarisch avancierte und ganz ungewöhnliche Chronik des 20. Jahrhunderts kennengelernt zu haben, mit besonderem Augenmerk auf den Jahren 1899, 1919, 1937 und 2001, in denen sich die Lebensgeschichten der Figuren und die oft nur angedeuteten Wendemarken der Weltgeschichte berühren. Doch weit mehr als das: «Der Mann, der das Glück bringt» ist vor allem ein fulminanter Hymnus an die Grossartigkeit des Lebens. Und nebenbei untergräbt dieses Buch, das sein Personal unter den Verlierern und Aussenseitern der westlichen Moderne findet, deren strahlendes, aber allzu leichtfertiges Versprechen: allen Menschen dieser Welt das Glück zu bringen. Das Leben, bunt und wild und glänzend, wie es manchmal ist, bleibt ein zäher Kampf. Auch nach 9/11.

Catalin Dorian Florescu: Der Mann, der das Glück bringt. München: C.H. Beck, 2016.

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