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Man sagt, ich schreibe Kitsch

Mein Schundroman und ich #1

Erstmals schreibe ich einen Text über mein Schreiben. Eine echte Herausforderung. Plötzlich soll ich mich selber analysieren, hinterfragen, erklären, vielleicht sogar rechtfertigen. Und das in einem Literaturmagazin. Keine Sorge, ich weiss, dass ich keine Literatur schreibe. Ich bekomme hier nur ein einmaliges, kleines Gastspiel – auch wenn man über den Begriff Literatur natürlich fröhlich streiten könnte. Aber es ist schon so: ich bin nicht jemand, der über einen Satz eine Stunde lang nachdenkt, der tagelang nach dem richtigen Wort sucht, über einer Formulierung schwitzt und an der Unvollkommenheit seiner Arbeit verzweifelt. Ich habe fünfzehn Jahre bei einer Zeitung gearbeitet und diese einfache, klare, leicht verständliche Sprache beibehalten. Möglicherweise auch deshalb, weil ich es gar nicht anders kann.

Ich fing an zu schreiben, weil ich keine Bücher hatte. Eigentlich wollte ich lieber lesen. Unsere Dorfbibliothek war aber leider nur ein Kellerloch im Pfarrhaus und konnte meinen Lesehunger nicht stillen, und in meiner Grossfamilie fehlte das Geld, um Bücher zu kaufen. Ich fing deshalb als Fünftklässlerin an, die Geschichten zu schreiben, die ich gerne gelesen hätte, um mich selber zu unterhalten. Vielleicht ist das heute noch meine Haupttriebfeder? Dass es mir einfach Spass macht, Geschichten zu erfinden? Früher lasen sie meine Schulkameraden. Sie tauschten meine vollgekritzelten Schulhefte auf dem Pausenplatz. Heute habe ich eine grosse, treue Leserschaft, die auf meine Bücher wartet. Das ist ein weiterer Ansporn.

Meine letzten acht Bücher waren Schweizer Bestseller. Darauf bin ich stolz. Ich habe davor auch erfolglose Bücher geschrieben und trotzdem nie aufgegeben. Schreiben, das ist meine Leidenschaft. Heute kann ich davon sogar leben. Die Bezeichnung «Bestsellerautorin» habe auch etwas Abwertendes, meinte neulich jemand, aber eigentlich spiegelt der Begriff ja nur meine Verkaufszahlen. Diese wiederum sagen natürlich nichts über Qualität aus, auch Dieter Bohlen verkauft phantastisch. Bohlen glaubt deswegen sogar, ein besonders guter Musiker zu sein. Ich jedoch kann mein Können sehr wohl einordnen. Viele abwertende Ausdrücke, die in Zeitungen über mich erschienen sind, habe ich leider selber generiert, wie etwa den Begriff «Unterhaltungstante». Dass ich diesen Begriff hier wiederhole, würde meine Marketingabteilung ausrasten lassen, wenn ich denn eine hätte. TeleZüri bezeichnete mich als «Rosamunde Pilcher vom Vierwaldstättersee». Ich kann damit umgehen. Auch damit, dass ich nie einen Literaturpreis gewinnen werde.

Meine Leser(innen) schreiben mir, dass meine Bücher sie zu Tränen rührten, zum Lachen brächten oder überhaupt erst wieder zum Lesen gebracht hätten. Unterhaltung ist mein Anspruch. Nicht mehr und nicht weniger. Natürlich will ich eine saubere Arbeit abliefern. Ich recherchiere genau und manchmal aufwendig: Ich mache ein Praktikum bei einem Tierarzt, besuche ein Frauengefängnis, fahre mit einem Dampfschiffkapitän über den See, arbeite in einem Kuhstall mit, verbringe einen Monat in Arosa, wandere ganze Gegenden ab… Ich tue alles für die Authentizität meiner Geschichten. Ich beobachte, höre zu, schaue hin, frage nach. Die Themen diktiert mir das Leben. Ich habe übers Wandern geschrieben, als ich tatsächlich damit anfing. Ich schrieb über Arbeitslosigkeit, als ich meine Stelle bei der Zeitung verlor. Nur mein letztes Buch, «Gipfeltreffen», war ein Wunsch meiner Leserschaft, die fand, «Wandern ist doof» müsse unbedingt weitergehen. Man wollte mehr Happy End, mehr Kitsch.

Mein Verlag stellt mir eine gute Lektorin zur Seite, auch zwei Korrektorinnen. Die Bücher werden sorgfältig hergestellt. Nein, sie sind kein Trash. Banal, trivial, primitiv? Die Tatsache, dass ich im «Literarischen Monat» in der TRASH-Ausgabe zu Wort komme, sagt mir, dass meine Bücher von Literaten so eingeordnet werden. Kann ich damit leben? Auf jeden Fall.

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Illustration: Corinne Mock.
Verlogenes Pack

Trash ist uninteressant. Interessant ist das Gespräch darüber: denn es dreht sich stets um die kulturelle Distinktion zum Höheren über die Kenntnis des Niederen. Aber warum eigentlich? Ein Versuch.

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