The Great Gazosa
Ich war im Kino. Und alles und jeder hat gefunkelt, konnte sogar den Charlestontanzen. Und über allem drohend mindestens ein wachsames Augenpaar,während das meinige mit einem 3D-Aufsatz beschäftigt war. Baz Luhrmann kannKino. Der australische Regisseur hat uns von seiner Heimat («Australia»),von «Romeo + Juliet» und Geschichten aus dem «Moulin Rouge» erzählt und hatschon vor 3D […]
Ich war im Kino. Und alles und jeder hat gefunkelt, konnte sogar den Charlestontanzen. Und über allem drohend mindestens ein wachsames Augenpaar,während das meinige mit einem 3D-Aufsatz beschäftigt war. Baz Luhrmann kannKino. Der australische Regisseur hat uns von seiner Heimat («Australia»),von «Romeo + Juliet» und Geschichten aus dem «Moulin Rouge» erzählt und hatschon vor 3D alles und jeden tanzen (und singen!) lassen, dass es eine opulenteWucht war. Klein geht nicht. Und das passt natürlich zum Grossen Gatsby,den Luhrmann jetzt gefunden hat in den Pflichtlektüre-Stapeln der High Schools.Ein wichtiges Werk von F. Scott Fitzgerald, in dem sehen und urteilen, verurteilenund blindsein Schlüsselmotive sind – und die Geschichte des Erzählers (des jungenEhrgeizlings Nick Carraway) vorantreiben. New York ist noch ein paar Jahre vomBlack Friday entfernt, 1923 fliesst viel Champagner und härterer Stoff unter und überdie Theken, es herrscht Prohibition und wo verboten wird, wird gleichzeitig (wie esscheint) immer mehr vom Verbotenen erlaubt. Eine Geschichte der Oberflächen.In Gatsbys sagenhafter Villa glänzt alles. Es strömt Lockstoff aus allen Ritzen, um eineverlorene Liebe anzulocken, einzufangen. Der Lockstoff heisst Geld und das stinktnur bedingt. Die Oberflächen aller Schauspieler sind durch HD und 3D so glatt, sogebräunt oder milchig, dass man schnell versteht, dass hier (Geld-)Götter den Olympbewohnen. Der eine aus gewachsenem Reichtum, der andere aus ergaunertem,die anderen arm und geldgierig und letztlich alle dubios. Selbst der mittellose Nickist erst nach aller Blendung ein Sehender, der wieder für sich urteilen mag. Vorher hatdas Nervengas sie alle angelockt, betäubt, sie überspannt gemacht: das Nervengas«viel Geld». Dazu ständig dieses Funkeln! Spiegelflächen, Augen, Brillengläser,Wasser in Swimmingpools, Scheinwerfer, Signallichter in der Meeresbucht – optisches«Gerät» findet sich in jeder Szene des Filmes, wie in allen Kapiteln des Buches.Der Film hält dem Buch die Treue. Das ist kostbar, das Buch. Von dem hyperaktivenPartytier Fitzgerald 1925 geschrieben. Darin liesse sich die Verzweiflung herauslesen:die Verzweiflung, aus dem wilden Konsum und der Upper Classification der«Roaring Twenties» wieder Sinn machen zu wollen, mehr darin sehen zu wollen,als die Oberfläche eben zeigt. Ich hatte im Kino so eine Himbeer-Gazosa-Flaschegekauft und sie mir immer wieder vor die Brille gehalten. So war alles 3D und rosa:der beste optische Modus überhaupt! Und recht poetisch, wenn man’s bedenkt.