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Brief aus der ­Romandie (dix-huit)


«Ich muss mich wohl hassen», sagt sich Rinny Gremaud am Ende einer Erfahrung, die sie nur ihrem schlimmsten Feind wünscht: Die in Südkorea geborene Lausanner Journalistin flog in 23 Tagen nach Edmonton, Peking, Kuala Lumpur, Dubai und Casablanca und besuchte dort die grössten Shoppingcenter der Welt. Sie sprach mit Geschäftsführern, Verkäuferinnen, Kunden und WC-Putzerinnen und schaute zu, wie Touristen Selfies schiessen, Expats auf Kunstschnee Ski fahren oder im Hallenbad mit Pinguinen schwimmen. Für ihren sarkastischen, engagierten und persönlichen Bericht «Un monde en toc» (Seuil) erhielt sie nun den Prix Michel-Dentan.

Eine Reise in die Welt der Toten unternehmen die Lausanner Autorin Céline Cerny und die Künstlerin Line Marquis in «On vous attend» (art&fiction). Die fünfzehn Texte lassen Grenzen durchlässig werden, zwischen Diesseits und Jenseits, Prosa und Poesie, Fiktion und Realität, Gegenwart und Vergangenheit. Ohne Pathos geben sie Toten und Hinterbliebenen das Wort, der 2016 verstorbenen kanadischen Zeichnerin und Musikerin Geneviève Castrée ebenso wie einer Figur aus Boccaccios «Decamerone». Marquis’ farbige, figurative Traumszenen ergänzen die dunkelrot gesetzten Texte, ohne sie zu illustrieren – ein weiterer geglückter Dialog über die Grenzen hinaus.

Eine fremde Welt im eigenen Land – so kam es Blaise Hofmann vor, als er 2014 eingeladen wurde, zusammen mit Stéphane Blok das Libretto für die Fête des Vignerons 2019 zu schaffen. Das Winzerfest in Vevey findet nur alle zwanzig Jahre statt, und der 1978 in Morges geborene Hofmann hatte es noch nie besucht. Mit erfrischender Ehrlichkeit beschreibt er in «La Fête» (Zoé) die jahrelange Vorbereitung des Spektakels, die schwierige Zusammenarbeit mit dem charismatischen Regisseur Daniele Finzi Pasqua, die erforderlichen Kompromisse (die Weinbruderschaft strich das Wort «Pestizid»). Beim Lesen erfährt man viel über Arbeitsbedingungen – sowohl des Winzers als auch des Autors. Ob sich ihre Mühe lohnt? – «Inchass’la!»

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