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Al Imfeld (Hrsg.):
«Afrika im Gedicht»

 

In die allseits bewegten 1960er Jahre reichen die Ursprünge eines Projekts zurück, das heuer Al Imfelds 80. Geburtstag am 14. Jänner gekrönt hat: «Afrika im Gedicht» heisst das Mammutteil, das, runde 800 Seiten schwer, nun vorliegt. Über ein halbes Tausend Gedichte aus über 40 Ländern, immer in der deutschen Übersetzung sowie im Original, welches auf Französisch, Englisch, Portugiesisch, Arabisch, Swahili oder Afrikaans abgedruckt ist, insgesamt also weit über 1000 Texte, entstanden zwischen 1960 und 2014, ausgerüstet mit Quellenangaben, Worterklärungen sowie einem zünftigen Autorenverzeichnis. Und: keineswegs kommen die Texte als öde Bleiwüste daher, sondern als fruchtbar bestelltes Ackerland, unterteilt in 63 sogenannte «Cluster», also in Bündel, Büschel, Schwärme, kleine regionale oder thematische Zusammenstellungen, allesamt informativ eingeleitet und immer geschmückt mit je einer farbigen Zeichnung des Künstlers Frédéric Bruly Bouabré (1923–2014) von der Elfenbeinküste.

Die 63 «Cluster» sind unterteilt in 35 braune und 28 blaue, wobei erstere regionale, also erdhafte Bezüge herstellen unter Titeln wie «Nigeria: Neue Poesie aus dem Chaos», «Heisse Orte von Soweto bis Tahrir», «Algerierinnen im Widerstand» oder «Gärende Stimmung in Nordafrika»; die blauen «Cluster» stellen dagegen thematische, ideelle oder soziologische Bezüge her unter weiteren sprechenden Titeln wie «Schwarz – Weiss – Coloured», «Vom Stamm über die Kolonie zum Nationalstaat», «Krieg, Terror & Folter – Visionen des Friedens», «Armut und Elend – eine Gesellschaft von Bettlern», «Liebe und Gesundheit auf Afrikanisch», «Tourismus & Migration» oder «Kraft und Bedeutung des Gedichts».

«Afrika im Gedicht» blättert ein Panoptikum der afrikanischen Poesie nach 1960 auf, von Südafrika bis Ägypten, von Marokko bis Madagaskar, von Somalia bis zu den Kapverdischen. Unterstützt von der Lektorin Lotta Suter und dem Übersetzerstab aus Zineb Benkhelifa, Ueli Dubs, Elisa Fuchs, Danài Hämmerli und Andreas Zimmermann, konnte kompositorisch nur einem Al Imfeld ein solches Meisterstück gelingen. Unter vielen Texten stehen Hinweise wie «Text vom Dichter persönlich für die Anthologie zugestellt» oder «vom Autor gemailt». «Afrika im Gedicht» ist also die Frucht eines während vieler Jahrzehnte sorgfältig aufgebauten und hingebungsvoll gepflegten Beziehungsnetzes und zugleich die Ausbeute einer ebenso langen ausserordentlich aufmerksamen Lektüre – ein Lebenswerk.

Doch der Band ist keineswegs nur für die schmale Gemeinde der Poesie-Aficionados konzipiert, die er sowieso in nachhaltige Hochstimmung versetzen und in seiner Wucht erschüttern wird. Wie schätzt ein Mann von der Lebens- und Welterfahrung eines Al Imfeld das Wesen von Gedichten ein? «Sie helfen einem Geschäftsmann so gut wie einem Entwicklungsarbeiter. Gedichte sind eine besondere Form der Philosophie. Wie nirgendwo anders legen sie Bedürfnisse offen und zeigen deutlich Schwachstellen, ohne zu beleidigen. Gedichte sind ehrlich.» Deshalb hat Al Imfeld – Agrarwissenschafter, Journalist, Soziologe, Priester, Freigeist, Übersetzer, Erzähler und Dichter – recht, wenn er meint, dass dieser Band «in allen Bibliotheken stehen, in Schulen und Entwicklungseinführungskursen benutzt werden müsste». Auch die kleinen Ausleihbibliotheken in Quartieren sollten ihn präsentieren, die Deutschkurse für fremdsprachige Mütter, die Workshops für Dolmetscher und die Seminare für Internationale Beziehungen sollten ihn bereithalten. Und in den Schulen dürfte er zu keiner der herkömmlichen Schnarchnummern über Lyrik führen, wie sie Lotta Suter in ihrem Vorwort an die Wand malt, sondern in lebendige Unterrichtsprojekte einfliessen, etwa in den Fächern Deutsch, Englisch, Französisch, Geographie und Geschichte. So würde man der Anthologie «Afrika im Gedicht» wohl am besten gerecht.

Al Imfeld (Hrsg.): Afrika im Gedicht. Zürich: Offizin, 2015.

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