Der Schreibrausch und ich (1)
Eine bestimmte Art von Text – ich nenne ihn «den maschinellen» – kommt aus der Versenkung. Wenn er drängt, weiss ich, es gibt ihn schon, ich muss ihn nur noch aufschreiben. Es ist der entgegengesetzte Prozess zum Pullover im Trickfilm, der zum Faden wird. Tom oder Jerry ziehen daran und merken es nicht. Der Text […]
Eine bestimmte Art von Text – ich nenne ihn «den maschinellen» – kommt aus der Versenkung. Wenn er drängt, weiss ich, es gibt ihn schon, ich muss ihn nur noch aufschreiben. Es ist der entgegengesetzte Prozess zum Pullover im Trickfilm, der zum Faden wird. Tom oder Jerry ziehen daran und merken es nicht. Der Text strickt sich selbst. Ich halte die Hände hin, die in einem Zustand der Empfänglichkeit sind. Dieser entsteht, wenn ich Zeit an den Rändern des Schreibens habe. Das ist die Voraussetzung für das Eintauchen in ein entrücktes, mystisch zu nennendes Kontinuum, das paradoxerweise stillsteht. Ich kann es nicht gültig erfassen, es variiert. Was ich sagen kann: zwei freie Stunden pro Tag reichen nicht. Ich brauche einen Tag, zwei Tage für mich, besser eine Woche. Es ist dann förderlich, so oft wie möglich alleine zu sein. Unbeobachtet. Tagträumen nachhängend. Phantasien ins Nichts schicken, aus dem Nichts empfangen. An nichts denken müssen. Nichts sein, was heisst, nichts darstellen müssen. Nicht auf Erfolg hin arbeiten. Das Drängen begegnet im Aussenkosmos keinerlei Widerstand, es ist nicht kompakt, eine Quelle, etwas Liquides, das klopft und sprudelt, unterirdisch, innerlich, wie ein Traum, etwas still Berauschendes. Schmerzlose Gewalt, die überwältigt. Das hat erotische Qualität. Es bricht ein Text hervor, er fliesst. Entgrenzung. Auflösung bei harmonischer Konzentration. Wie ein Tauchgang mutet das an. Halb Mensch, halb Tier – oder Pflanze. Wenn der Text da ist, empfinde ich Freude, die Heimsuchung macht mich leicht, es gibt wieder einen Text, dem ich vertrauen darf, weil er nicht von mir ist. Ich drucke ihn aus, lege ihn in den Ordner und gehe in den Coop. Das erinnerte Erleben schmerzt, wenn ich an der Kasse Elmex und Knoblauch aufs Laufband lege, die Supercard hervorkrame. Die Intimität mit sich immer wieder aufgeben, weil Alltag und Banalität daran fressen, das ist ein permanenter Verlust mitten in der Fülle der Realität. Diese intensive Art des Abdriftens erlebt der Mensch sonst wohl nur beim Sex. Auch daran denke ich an der Coop-Kasse.