Digital ist besser IX – Die Defensive steht!
Das E-Book ist tot. Dies durfte Manfred Papst, der mit dem Alfred-Kerr-Preis ausgezeichnete Literaturkritiker der «NZZ am Sonntag», auf der Frankfurter Buchmesse zufrieden feststellen. Zu seiner Freude fand er stattdessen wieder mehr aufwendig gestaltete und ausgestattete Hardcover-Bände, «richtige Bücher» alter Schule. Leinen oder Leder, geprägt, Fadenheftung als Minimalstandard und dazu ein Lesebändchen, darin komplexe, assoziative […]
Das E-Book ist tot. Dies durfte Manfred Papst, der mit dem Alfred-Kerr-Preis ausgezeichnete Literaturkritiker der «NZZ am Sonntag», auf der Frankfurter Buchmesse zufrieden feststellen. Zu seiner Freude fand er stattdessen wieder mehr aufwendig gestaltete und ausgestattete Hardcover-Bände, «richtige Bücher» alter Schule. Leinen oder Leder, geprägt, Fadenheftung als Minimalstandard und dazu ein Lesebändchen, darin komplexe, assoziative Essays, Gedichte auf Japanisch und auf Deutsch, oder hochliterarische Klassiker, kommentiert und ergänzt. So sehen die gedruckten Bücher aus, die bei «Liebhabern» (oft deckungsgleich mit: E-Book-Gegnern) Spasmen der Verzückung auslösen. Und nach Leipzig im Frühjahr darf nun bereits die zweite Buchmesse 2015 so tun, als wäre in den letzten Jahren nichts passiert.
Ein kurzer Blick auf die E-Book-Bestsellerlisten zeigt tatsächlich vor allem Krimis, Thriller, Romantisches, Phantastisches, aber kaum je spricht man dann emphatisch von «Literatur». Auch alle mir bekannten «literarischen» Leserinnen und Leser wollen ausschliesslich gedruckte Bücher. Aber: Die echten Vielleserinnen und -leser, die einfach gut unterhalten werden wollen, schwören mehr denn je auf den Tolino oder den Kindle!
Sind die literarischen Leser somit die letzten Gallier, die sich erfolgreich wehren? Sympathische Anachronisten? Oder eher: konservative Ignoranten? Weil so bleiben muss, was immer schon so war? Im Sinne von: Mein zerlesenes Suhrkamp-Taschenbuch ist hip, dein Tolino ist doof? Ein näherer Blick auf die «literarischen» E-Book-Verkäufe täte den Druckstalinisten gut: denn auch diese steigen. Wir lernen: die literarische Defensive – egal aus welchen Gründen – gegen den digitalen Angriff steht, und sie steht gut! Aber: Tote wachsen nicht. Und totgesagte Untote haben nicht nur in E-Mysterythrillern das Potential, plötzlich hinter dem Ohrensessel hervorzukriechen und dem schmökernden Kulturkritiker mindestens ins Ohrläppchen zu beissen.
André Gstettenhofer
ist Verleger (Salis) und lebt in Zürich. Seine Kolumne «Digital ist besser» beschäftigt sich an dieser Stelle mit dem Medienwandel im Verlagsgeschäft.